Die letzte Rechnung steht noch aus
Der Atom-Pakt macht viele wütend – und ist doch die beste Alternative
Berlin. Dass jetzt nicht nur Atomkraftgegner die Faust in der Tasche ballen, ist verständlich. Die vier großen Energiekonzerne haben 50 Jahre lang enorm an der Kernenergie verdient, nach unterschiedlichen Schätzungen 120 Milliarden Euro oder mehr. Und nun, da es um ihre dreckige Hinterlassenschaft geht, stehlen sie sich mit der lächerlichen Summe von 23 Milliarden Euro aus der Verantwortung. Nicht wenige empfinden die Regelung der Kostenverteilung für Rückbau und Endlagerung der Atomanlagen, die gestern vom Bundestag beschlossen wurde, als skandalösen Ablasshandel.
Alle Atomkraftwerke in Deutschland müssen ab 2022 abgerissen und Stück für Stück verpackt werden. Das bezahlen zwar die Konzerne, doch die eigentlichen Kosten kommen erst danach. Und mit den 23 Milliarden Euro aus einem Fonds, den die Energieriesen bestücken, sind diese Lasten längst nicht abgegolten. Zunächst muss es nämlich ein Zwischenlager für den Müll geben, weil das Endlager erst noch gesucht und gebaut werden muss, und dann muss dieses Endlager eine Million Jahre lang betrieben werden. Für all das hat nun der Staat den Ärger, die Verantwortung – und, abzüglich der 23 Milliarden Euro, auch die Kosten. Die letzte Rechnung kommt erst noch. „Kleinigkeiten“wie die Sanierung der wilden Atom-Deponie Asse, die allein vier Milliarden Euro Staatsgeld verschlingt, sind da überhaupt noch nicht berücksichtigt.
Von wegen billiger Atomstrom: Den hat es nie gegeben. Auch ohne Super-Gau nicht. Es war immer Milliarden sind die Summe, die noch zu holen war. Dieses Geld ist wenigstens sofort gesichert und unter öffentlicher Kontrolle. Ausstieg mit Schaden, so endet eine Energieform, von der man einst glaubte, sie könne Menschheitsprobleme lösen. Sie hat in Wahrheit nur welche gebracht.
Es sollte den Kritikern des Kompromisses Grund zum Nachdenken geben, dass die Grünen ihn mit formuliert haben. Sie hätten es nicht getan, wenn es irgendeine Lösung gegeben hätte, die die Konzerne mehr belastet hätte. Denn die Grünen haben da noch Rechnungen offen. Sie haben von Anfang an unerbittlich gegen die Atomkraft gekämpft, nicht wenige von ihnen haben es wegen ihres Widerstands mit der Justiz zu tun bekommen. Nun reichen sie ihre Hände für die gemeinsame Suche nach einem Endlager, obwohl sie diesen Müll ganz sicher nie wollten; nun reichen sie ihre Hände für einen Deal, der die Sache ein für alle Mal beendet. Die Grünen werden dafür von ihren Anhängern mehr Prügel bekommen als die einstigen Atomparteien CDU, SPD, FDP und – zu DDR-Zeiten – auch die Linken. Für ihre höchst verantwortliche Haltung in dieser Frage kann man ihnen nur Hochachtung zollen.