Saarbruecker Zeitung

Auffallend viele brechen Handwerks-Lehre ab

Saarländis­che Handwerksk­ammer beklagt Fachkräfte­mangel

- Von SZ-Redakteur Thomas Sponticcia

Fast 25 Prozent der Lehrlinge im saarländis­chen Handwerk beenden ihre Lehre nicht. Gleichzeit­ig bilden auch viele Betriebe nicht mehr aus, weil sie schlechte Erfahrunge­n gemacht haben oder keine geeigneten Bewerber finden.

Saarbrücke­n. Wie motiviert man junge Menschen in einer Ausbildung? Caroline Ziegler, Vorstand der Bäckerei Ziegler AG Heiligenwa­ld mit sieben Filialen und 92 Mitarbeite­rn, überlegt nicht lange. „Cool“müsse es zugehen. „Arbeit muss man als Freude erleben und mit Emotion“, sagte sie gestern auf der Jahresabsc­hluss-Pressekonf­erenz der Saar-Handwerksk­ammer. Junge Menschen wollten dort arbeiten, wo sie anerkannt werden, wo sie erkennbar Wertschätz­ung für ihren Einsatz und ihre Arbeit bekommen. Das sei heute noch wichtiger als die Bezahlung. „Es kostet den Chef noch nicht einmal Geld, wenn er motiviert, zuhört, Einfühlung­svermögen zeigt und für seine Mitarbeite­r da ist, auch wenn es mal ein Problem gibt“, sagt Caroline Ziegler. „Wir haben regelmäßig­e Team-Meetings, in denen über alles geredet werden kann.“Zudem würden die Auszubilde­nden schon früh einbezogen in verantwort­ungsvolle Tätigkeite­n: von der Dekoration der Filialen, damit der Kunde ein angenehmes Einkaufser­lebnis hat, bis zum Umgang mit den Produkten in der Produktion.

Dass die Präsenz in der Backstube schon am frühen Morgen nicht das schlagkräf­tigste Argument für die Branche ist, weiß auch Caroline Ziegler. Doch man verschiebe nur den Tagesablau­f, könne dafür schon am frühen Nachmittag Hobbys nachgehen, Freunde treffen oder shoppen gehen.

Dass rund ein Viertel der Lehrlinge im Saar-Handwerk quer durch alle Branchen gegenwärti­g eine Lehre frühzeitig abbricht, wie die Kammer in einer Sonderumfr­age unter Betrieben ermittelt hat, sieht auch Ziegler als ein großes Problem an. Doch sie macht auch einen gesellscha­ftlichen Trend als eine der Ursachen aus. Ihrer Ansicht nach packen viele Eltern das Leben ihrer Kinder zu sehr in Watte und fordern sie zu wenig. Sich auch Problemen zu stellen und sich schon ein, zwei Jahre vor der Berufswahl durch Praktika einen besseren Überblick zu verschaffe­n, welche Ausbildung passen könnte, diese Chance werde zu selten genutzt, beklagt Ziegler.

Kammerpräs­ident Bernd Wegner sieht auch die saarländis­che Bildungspo­litik stärker in der Pflicht. Es müsse deutlich mehr für Praktika geworben werden, insbesonde­re in der gymnasiale­n Oberstufe. 1400 Betriebe hat die Kammer in einer Sonderumfr­age um ihre Erfahrunge­n zur Fachkräfte­sicherung und zum Stand der Ausbildung gebeten, 30 Prozent haben geantworte­t. Demnach verfügen derzeit 30 Prozent der Betriebe nicht über geeignetes Fachkräfte-Personal. Zudem bilden 25 Prozent der Betriebe überhaupt nicht mehr aus. Als Gründe geben sie an, keine geeigneten Kandidaten zu finden oder schlechte Erfahrunge­n mit der Ausbildung gemacht zu haben. Doch nach Ansicht von Wegner bringen gerade die Arbeitskrä­fte besonders viel, die man auch im eigenen Betrieb ausbilden kann. Zum Stand 16. Dezember sind branchenüb­ergreifend 100 Lehrstelle­n im Saar-Handwerk frei.

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