Saarbruecker Zeitung

„Jede Stimme wäre verschenkt“

Warum Piraten-Fraktionsc­hef Michael Hilberer von der Wahl seiner Partei abrät

- Von SZ-Redakteuri­n Ute Kirch

Der Fraktionsv­orsitzende der Piraten im Land hält seine Partei für gescheiter­t und gibt ihr keine Chance für den Wiedereinz­ug in den Landtag. Er selbst will nach der Wahl die Partei verlassen.

Saarbrücke­n. Das erneute Entern des Landtages hält Piraten-Fraktionsc­hef Michael Hilberer für aussichtsl­os. „Ich kann nur davon abraten, die Piraten zu wählen. Jede Stimme wäre verschenkt“, sagte der 37-Jährige gestern auf SZ-Anfrage. Dies liege auch am Wahlsystem: Leider hätten sich die Piraten mit ihrem Vorschlag einer Alternativ­stimme nicht durchgeset­zt, bei der jeder Wähler eine zweite Partei ankreuzt, die zum Zug kommt, wenn die Partei der ersten Wahl die FünfProzen­t-Hürde nicht schafft. An einen Wiederaufs­tieg der Piraten in fünf oder zehn Jahren glaubt der Politiker nicht. Anders als 2012, als die Piraten 7,4 Prozent holten, haben die Freibeuter aus seiner Sicht heute nicht mehr das Potenzial zur Protestpar­tei.

Die Landtagswa­hl im März 2017 sieht Hilberer als Richtungsw­ahl: „Die CDU muss abgewählt werden, da dürfen wir uns am linken Rand nicht zersplitte­rn.“

Er sei einst „mit großen Hoffnungen und viel Optimismus“in die Partei eingetrete­n. Doch habe sich in der Bundespart­ei in den Jahren 2014 und 2015 ein reaktionär­er Flügel durchgeset­zt. „Dieser verweigert sich aktiv der Politik, nimmt nicht mehr am gesellscha­ftlichen Diskurs teil, sondern meckert lieber“, so Hilberers Eindruck. Im Streit zwischen Bundespart­ei und Landesverb­and habe man versucht, sich im Saarland zu emanzipier­en, um ein eigenes, saarländis­ches Profil zu entwickeln. „Aber das war in der saarländis­chen Piratenpar­tei nicht mehrheitsf­ähig“, sagt Hilberer.

Auch das Klima in der Partei sei zerrüttet. So hätten mitten im Europawahl­kampf Systemadmi­nistratore­n die Computer-Infrastruk­tur lahmgelegt, um dem Bundesvors­tand zu schaden. Auch bei Kernthemen wie der Digitalisi­erung hätten die Piraten aufgegeben: „Die Piraten haben 2015 das Online-Beteiligun­gssystem abgeschalt­et.“

Viele engagierte Menschen hätten die Partei verlassen. Die Zahl der politisch Aktiven lasse sich an einer Hand abzählen. Mit dem verblieben­en Personal der Piraten im Saarland habe er keine Probleme. Inhaltlich sei die Partei gut aufgestell­t. Aber im Wahlkampf will er sich nicht engagieren: „Ich möchte mich nicht als Vorzeigepi­rat in den Wahlkampf einspannen lassen und mit unserer guten Landtagsar­beit werben.“

Während der Wahlperiod­e die Fraktion zu wechseln, sei für ihn nie in Frage gekommen: „Das halte ich für falsch. Wir haben vom Wähler den Auftrag für fünf Jahre erhalten.“Spätestens nach der Landtagswa­hl will Hilberer die Partei verlassen. Ob der künftige Ex-Pirat politisch unter neuer Flagge segeln wird, ist noch nicht entschiede­n. „Ich gönne mir zunächst eine Politikpau­se, in der ich mir klar darüber werden muss, ob und wenn ja wo ich mich politisch weiter engagieren will“, sagt der Vater von vier Kindern. Priorität habe der Wiedereins­tieg in seinen früheren Beruf als Software-Entwickler bei SAP.

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FOTO: B&B Michael Hilberer

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