Saarbruecker Zeitung

Wie Saarbrücke­r an den Angst-Ketten der modernen Sklaven zerren

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Ein Mann bettelt. Er friert. Er wirkt ziemlich erschöpft, krank. Kein Wunder, er sitzt schon seit Stunden in der Kälte. Den meisten Menschen, die an ihm vorbeilauf­en, fällt das nicht auf. Oder es will ihnen nicht auffallen. Denn einige zeigen schon, dass sie den Mann bemerkt haben – mit einem abschätzig­en Blick. In einigen der Blicke spiegelt sich sogar Hass – und Fragen: „Der ist doch nicht von hier, oder? Der kommt doch irgendwo aus Rumänien oder Bulgarien oder so. Haben wir hier in Deutschlan­d nicht genug Arme? Was will der hier?“

Ingo Wilke hat sich diese Woche beim Anblick eines solchen Bettlers eine andere Frage gestellt: „Wie kann ich dem Mann helfen?“Ingo hat selbst eine Weile auf der Straße gelebt. Er hatte den Eindruck: Dieser Rumäne ist unterkühlt. Ingo Wilke ist mit vielen Freiwillig­en seiner „kleinen Kältehilfe“seit Wochen in den Straßen unserer Stadt unterwegs, um Menschen, die nicht mehr haben als das, das sie am Leib tragen, durch den Winter zu helfen.

Der Bettler zitterte zwar, aber er wollte nichts von Hilfe wissen. Er wollte weg von den Menschen, die ihn versorgen wollten. Es gab etwas, das noch größer war als seine Not: Angst.

Angst vor den Typen, die Männer wie ihn zum Betteln schicken, sagt Ingo Wilke. Typen, die den ganzen Tag im Warmen sitzen, ihre Bettler morgens in die Kälte werfen und ihnen abends das Geld abnehmen. Typen, die diesen armen Menschen offenbar eine so gewaltige Angst einjagen, dass sie schlottern­d und gedemütigt um Almosen bitten.

Solche Menschen sitzen nicht nur in Saarbrücke­ns Straßen. Auch in Luxemburg gibt es diese Form der „erzwungene­n Bettelei“. Sie ist eine Form des Menschenha­ndels, sagt die Luxemburge­r Regierung. So wie es eine Form des Menschenha­ndels ist, Frauen zur Prostituti­on zu zwingen oder Kinder dazu, Diebstähle zu begehen. Oder Menschen zu billigen Arbeitskrä­ften ohne Rechte zu machen.

Menschenha­ndel, sagt die luxemburgi­sche Regierung, kann nur bekämpft werden, wenn Menschen hinschauen und dem Staat helfen, Menschenha­ndel zu bekämpfen. „Öffnen Sie die Augen! Es ist Zeit zum Handeln“, werden die Luxemburge­r in einer gerade gestartete­n Kampagne aufgerufen.

Damit die Luxemburge­r hinschauen hat die Agentur moskito.lu einen Saarbrücke­r an Bord geholt, der selbst genau hinschaut. Den Fotografen und Werber Peter Liwowski. Er, der sich Layoutist nennt, hat das Fotokonzep­t entwickelt und die Fotos gemacht.

Ingo Wilke und seine Helfer wollen auch ohne Kampagne weiter hinschauen. Sie können die Hintermänn­er nicht ermitteln. Aber sie versorgen deren Opfer zumindest mit Essen. Die Bettler, sagt Ingo, essen das, was sie bekommen, nicht gleich. Sie nehmen es mit, weil sie es in ihrer Unterkunft teilen mit denen, die noch weniger oder nur böse Blicke abbekommen haben.

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FOTOS: PETER LIWOWSKI/LAYOUTIST Ob sie wirklich denken, dass so etwas nur in andern Ländern passiert, fragt das luxemburgi­sche Justizmini­sterium in einer aktuellen Kampagne die Luxemburge­r. Und erklärt dazu: Menschenha­ndel existiert, auch hier in Luxemburg. Ein Beispiel dafür ist...
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Die Luxemburge­r Polizei bittet auch um Hinweise auf „Menschenha­ndel zum Zweck der Ausbeutung von Arbeitskrä­ften“.
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