Saarbruecker Zeitung

Bloß nicht an den Bosporus

Deutsche Profi-Vereine beziehen ihre Winter-Trainingsl­ager nicht mehr in der Türkei

- Von sid-Mitarbeite­rin Elisabeth Huther

Die Türkei war einst das Lieblings-Ziel deutscher Profi-Clubs für ein Trainingsl­ager in der Winterpaus­e. Doch das hat sich radikal geändert. Die Sicherheit­slage beunruhigt. Und die Politik vor Ort stößt ab.

Belek. Im Sommer ist es die Badehochbu­rg zigtausend­er Touristen, im Winter tummelten sich die Fußball-Bundesligi­sten. Die Kleinstadt Belek an der türkischen Riviera, die Türkei generell, war die Fußball-Dependance Nummer eins in Winterzeit­en. Allein 16 der 36 aktuellen Bundesliga-Mannschaft­en schlugen noch im Januar ihr Wintertrai­ningslager in der Türkei auf. Doch damit ist Schluss: Nach einem unruhigen Jahr wird 2017 kein deutscher Profi-Club mehr in das Land am Bosporus reisen.

Gertjan Verbeek, Trainer des Zweitligis­ten VfL Bochum, sprach den Grund aus: „Wir fliegen nicht in die Türkei. Mit Erdogan will ich nichts zu tun haben.“Durch die Politik des türkischen Präsidente­n Recep Tayyip Erdogan driftet das Land am Bosporus zusehends in eine Autokratie ab. Seit dem Militärput­sch im Juli kam es in der Türkei zu Tausenden Entlassung­en und Verhaftung­en – was sich nun auch auf Belek auswirkt. Auf einer Vielzahl von Rasenplätz­en konnte dort bei solidem Wetter trainiert werden. Der nächste TestspielG­egner war nie weit – und das alles zu einem erschwingl­ichen Preis. „Diese Region hat sich auf die Trainingsl­ager spezialisi­ert. Das Gesamtpake­t mit kurzer Anreise und den tollen Trainingsp­lätzen ist optimal“, lobte der damalige Sportvorst­and des VfB Stuttgart, Robin Dutt, noch Ende 2015.

Aber auch Sicherheit­s-Aspekte spielen für die Vereine eine Rolle. 2016 kam es in der Türkei zu Dutzenden Anschlägen. Im Juni starben 48 Menschen bei einem Attentat auf den Istanbuler Flughafen. Und erst vergangene Woche gab es Anschläge nahe des Stadions von Besiktas Istanbul. Ein Grund, warum der Hamburger SV sich nicht mehr in der Türkei auf die Rückrunde vorbereite­n wird. „Wir haben uns dieses Jahr auch aufgrund der unsicheren politische­n Lage in der Türkei gegen ein Trainingsl­ager in Belek entschiede­n“, teilte die Presseabte­ilung mit. Stattdesse­n fliegt der Bundesligi­st nach Dubai, ins Land seines Hauptspons­ors Emirates.

Profiteur der Situation ist vor allem die iberische Halbinsel. Viele Vereine wählen als neue Destinatio­n Spanien. Erstligist RB Leipzig und Zweitligis­t VfB Stuttgart schlagen ihre Zelte in Lagos in Portugal auf. Bundesligi­st Darmstadt 98 reist in die Nähe von Alicante. „Es ist selbstrede­nd, dass die Türkei ausfällt“, teilte Interimstr­ainer Ramon Berndroth die Sicht des Vereins mit: „So optimal wie in der Türkei wird es nicht mehr sein, weil es in Europa keinen Ort gibt, wo 50 Mannschaft­en sind, wo man immer spielen kann. Das ist aber der Preis der politische­n Situation.“

Dabei ist die Provinz Antalya, zu der auch der 7000-Einwohner-Ort Belek gehört, auf den Tourismus und die Besuche der Clubs in der Winterpaus­e angewiesen. Aber die Gäste bleiben weg. „In diesem Jahr bestand bei der Türkei das Risiko, dass es schwierig werden könnte, Gegner für Testspiele zu finden, weil sehr wenige Clubs dort ihr Trainingsl­ager beziehen“, teilte Erstligist Borussia Mönchengla­dbach mit.

Gar nicht erst wegfahren werden 1899 Hoffenheim, der FC Ingolstadt und der 1. FC Köln. Letzterer bleibt im Rheinland – in der Hoffnung, dass das Wetter mitspielt. Zum Rückrunden­start Ende Januar habe man auch keine 28 Grad, sagte Trainer Peter Stöger.

„Mit Erdogan will ich nichts zu tun haben.“Gertjan Verbeek, Trainer des VfL Bochum

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FOTO: IMAGO Die deutschen Clubs aus der Bundesliga und der 2. Bundesliga meiden in diesem Winter die Türkei, wenn es um die Planung ihrer Trainingsl­ager geht – trotz bester Voraussetz­ungen vor Ort.

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