Saarbruecker Zeitung

Ein regierungs­naher Club mischt die Süper Lig auf

Medipol Basaksehir ist seit zwölf Spieltagen Tabellenfü­hrer in der Türkei – Erdogan ist allgegenwä­rtig

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In Medipol Basaksehir ist ein Außenseite­r in der türkischen Süper Lig auf bestem Weg, die Phalanx der Top-Clubs Besiktas, Fenerbahce und Galatasara­y zu durchbrech­en. Der Verein steht dem Staatspräs­identen nahe.

Istanbul. So langsam muss man sich an den Anblick der Tabelle der türkischen Süper Lig gewöhnen. Bereits seit zwölf Spieltagen thront dort keiner der Istanbuler Vereine Besiktas, Fenerbahce oder Galatasara­y, die normalerwe­ise den Titel unter sich ausmachen, sondern Medipol Basaksehir. Die Mannschaft von Trainer Abdullah Avci überzeugt mit erfrischen­dem Offensivfu­ßball und ist noch unbesiegt. „Auch wenn Basaksehir keine großen Stars hat, ist es eine exzellente Mannschaft“, schrieb der ehemalige Schiedsric­hter Ahmet Cakar für die Zeitung „Sabah“.

Während die drei Großen der Liga regelmäßig auf der Jagd nach ausländisc­hen Spielern mit großen Namen sind, bedient sich Basaksehir gerne an der Resterampe der namhaften Nachbarn. Kapitän und Führungssp­ieler Emre Belözoglu, schon 36 Jahre alt, bekam bei Fenerbahce keinen neuen Vertrag mehr und musste gehen.

Torjäger Mehmet Batdal, 30, konnte sich einst bei Galatasara­y nicht durchsetze­n, und der erfahrene Abwehrchef Yalcin Ayhan, 34, hatte vor seinem Wechsel zu Basaksehir eigentlich schon bei Besiktas angeheuert, wurde dort aber nach Protesten der Fans nach wenigen Tagen weggeschic­kt.

Trotz des Erfolgs polarisier­t der Verein, der erst 2014 als Nachfolger von Istanbul Büyüksehir Belediyesp­or gegründet wurde und kaum Anhänger hat. Vor allem aufgrund seiner Nähe zur islamisch-konservati­ven Regierungs­partei AKP und zum Staatspräs­identen Recep Tayyip Erdogan gilt er bei Beobachter­n als Paradebeis­piel für die zunehmende Politisier­ung des türkischen Fußballs.

Vereinsprä­sident Göksel Gümüsdag ist mit einer Nichte der Ehefrau Erdogans verheirate­t. Bei der Hochzeit war der Staatspräs­ident Trauzeuge. Für den Bau des 2014 fertig gestellten Fatih-Terim-Stadions bekam das Unternehme­n Kalyon den Zuschlag, dessen Eigentümer als enger Vertrauter Erdogans gilt. Gleiches gilt für den Inhaber des Krankenhau­sBetreiber­s Medipol, der als Hauptspons­or und Namensgebe­r des Vereins fungiert. Zum Eröffnungs­spiel des neuen Stadions lief Erdogan persönlich auf. Die Rückennumm­er 12, die er dabei trug, wird seitdem an keinen Spieler mehr vergeben.

Wie sich diese Nähe zwischen Politik und Verein außerdem auswirken kann, zeigte sich kürzlich bei einem Thema, das eigentlich mit Fußball nichts zu tun hat. Da die türkische Lira immer mehr an Wert verliert, rief Erdogan zuletzt das Volk dazu auf, vorhandene Devisen in Lira umzuwandel­n, um die Landeswähr­ung zu stabilisie­ren. Wenige Tage danach gab Basaksehir bekannt, alle Spieler und Mitarbeite­r nicht mehr in Dollar, sondern nur noch in Lira zu bezahlen. Und auch die wenigen Anhänger – 2000 Fans im Durchschni­tt – werden ermuntert, den Vorgaben der Regierung Folge zu leisten. Wer etwa bis zum Heimspiel morgen gegen Trabzonspo­r den Nachweis erbringt, mindestens 50 Dollar in türkische Lira umgetausch­t zu haben, bekommt freien Eintritt. dpa

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FOTO: SUNA/DPA Der frühere türkische Nationaltr­ainer Abdullah Avci betreut Basaksehir.

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