Der Kummerkasten hört auf
Telefon-Talker Domian geht heute Nacht zum letzten Mal auf Sendung – nach 21 Jahren
Tausende Menschen haben Jürgen Domian nachts ihr Herz ausgeschüttet und ihm und seinem Publikum von ihren Sorgen erzählt. Doch damit ist nun Schluss. Die letzte „Domian“Sendung steht bevor.
Köln. Für viele Schlaflose und Sorgengeplagte kaum vorstellbar, doch nun ist es soweit: Domian hört auf. Heute Nacht wird der Moderator zum letzten Mal mit seinem Telefontalk im WDR-Fernsehen und bei Radio 1Live auf Sendung sein. Er wolle endlich auch mal ein normales Leben führen und wieder häufiger die Morgensonne sehen, erklärte er, als er vor anderthalb Jahren seinen Abschied ankündigte.
Seinen Entschluss habe er bis heute nicht bereut, sagt der 58Jährige. „Natürlich ist auch etwas Wehmut dabei, die Sendung ist so verwachsen mit meinem Leben. Aber alles hat seine Zeit.“In den vergangenen Monaten seien in der Redaktion massenweise Mails von Menschen eingegangen, die traurig seien, weil sie demnächst niemanden mehr hätten, an den sie sich mit ihren Anliegen wenden könnten. Domian wirkt geradezu betreten, als er davon erzählt. Aber er möchte eben nicht mehr der Kummerkasten der Nation sein – jedenfalls nicht nachts.
Was treibt wildfremde Anrufer dazu – rund 25 000 waren es seit dem Start 1995 –, Domian und damit gleichzeitig der Öffentlichkeit ihr Herz auszuschütten? „Viele Menschen haben leider keinen richtig guten Freund, mit dem sie über Probleme sprechen können, ganz zu Schweigen von der Sprachlosigkeit, die oft zwischen Ehepartnern herrscht“, meint der Journalist. Auch, dass er seinem Publikum schon früh Dinge von sich selbst erzählte – zum Beispiel über seine Bisexualität oder seine frühere Bulimie-Erkrankung – habe geholfen, Vertrauen aufzubauen und andere Menschen ermutigt, ihm umgekehrt solche Geschichten anzuvertrauen. Und so erzählen sie ihm von schlimmen Krankheiten, ausgefallenen Sexspielchen, Fantasien und Verbrechen. Im Hintergrund sitzen Psychologen, die Anrufer bei Bedarf beraten.
Die Art der Gespräche habe sich im Laufe der 21 Jahre nicht geändert, wohl aber deren Inhalte, hat Domian beobachtet. So spiele das Thema Sexualität inzwischen längst nicht mehr so eine große Rolle wie früher. Grund sei wahrscheinlich, dass heute jeder im Internet Gleichgesinnte und Antworten auf alles finden könne, vermutet Domian, der in Zukunft wie schon bisher Bücher schreiben will. Zugenommen hätten dagegen etwa Anrufe von jungen Leuten mit Migrationshintergrund, die zwischen zwei Kulturen stünden und dadurch in einen Konflikt gerieten.
Bis zu 20 000 Anrufer versuchten jede Nacht zwischen 1 und 2 Uhr, zu Domian durchzudringen. Sie haben heute Nacht die letzte Chance. Der WDR plant keine Nachfolgesendung.