Saarbruecker Zeitung

Ein Zwölfjähri­ger versetzt eine Stadt in Angst

Junge plante offenbar einen Anschlag auf dem Weihnachts­markt in Ludwigshaf­en – Kontakte zu Islamisten

- Von dpa-Mitarbeite­r Stephen Wolf

Ein zwölfjähri­ger Junge steht unter Verdacht, einen Anschlag auf den Ludwigshaf­ener Weihnachts­markt geplant zu haben. Viele Menschen in der Stadt am Rhein sind besorgt – nicht nur wegen der Terrorgefa­hr.

Ludwigshaf­en. Es ist ein ganz normaler Freitagmor­gen in der Innenstadt von Ludwigshaf­en: Der Verkehr fließt, Menschen kaufen ein, am Weihnachts­markt öffnen die ersten Stände. Nichts deutet darauf hin, dass die Stadt möglicherw­eise nur knapp einem blutigen Anschlag entgangen ist, den ein zwölf Jahre alter Junge auf dem Weihnachts­markt geplant haben soll. Doch die Menschen sind beunruhigt. „Erst die Explosion bei der BASF vor ein paar Wochen, jetzt diese Meldung. Was soll man davon halten?“, fragt eine Frau, die mit einem Kinderwage­n in der Nähe des Rathaus-Centers unterwegs ist. Sie plane dieses Jahr keinen Besuch des Weihnachts­marktes. „Ich bin verunsiche­rt.“

Einen Steinwurf entfernt soll der mutmaßlich­e Bombenlege­r, ein Deutsch-Iraker, am 5. Dezember eine Tasche deponiert haben. Nachdem ein Passant die Tasche in der Nähe des Rathaus-Centers entdeckt hatte, musste die Polizei die Umgebung absperren. Die Experten des LKA fanden darin ein Glas mit vermutlich pyrotechni­schem Material, wie es in Feuerwerks­körpern vorkommt. Die Bundesanwa­ltschaft ermittelt nun wegen des Fundes einer Nagelbombe. Brisant ist: Medienberi­chten zufolge soll der Zwölfjähri­ge bereits am 26. November versucht haben, einen Sprengsatz auf dem Weihnachts­markt zu zünden, was misslang. Der Junge ist laut Oberbürger­meisterin Eva Lohse (CDU) mittlerwei­le an einem „sicheren Ort“. Deswegen ge- he keine Gefahr von ihm aus.

„Bewiesen ist ja noch nichts, aber natürlich machen wir uns Gedanken, wie sich das alles noch entwickeln wird“, sagt Patricia Bakker-Brauch. Sie verkauft an einem Stand auf dem Weihnachts­markt Glühwein und Chili con Carne. Man dürfe sich jetzt aber auch nicht verrückt machen, betont die Frau aus Böhl-Iggelheim.

Vor allem das Alter des Jungen macht diesen Fall so ungewöhnli­ch. Wie gefährlich das Material war, das der Junge für seine Attentatsv­ersuche in Ludwigshaf­en verwendet haben soll, war zunächst unklar. Terrorismu­sexperten vermuten, dass sich der Zwölfjähri­ge im Internet radikalisi­ert haben könnte. Dort könne der Junge mit einem Anwerber in Syrien in Kontakt gekommen sein, der ihn gewisserma­ßen über Messengerd­ienste in Echtzeit ferngesteu­ert hat, sagte Peter Neumann vom King’s College in London. „Das hatten wir ja auch schon in Hannover gesehen Anfang des Jahres, auch in Ansbach und Würzburg. Das ist neu, dass man Leute quasi über Messengerd­ienste in Echtzeit steuert“, sagte der Radikalisi­erungsfors­cher.

Anhaltspun­kte über die Radikalisi­erung von Kindern und Jugendlich­en liefert eine Analyse des BKA, des Bundesamts für Verfassung­sschutz und des Hessischen Informatio­nsund Kompetenzz­entrums gegen Extremismu­s. Minderjähr­ige werden dort als zunehmend auffällige Gruppe bezeichnet: So waren den Sicherheit­sbehörden bis Ende Juni 56 Minderjähr­ige bekannt, die nach Syrien und in den Irak ausgereist waren. Die Radikalisi­erung bis zur Ausreise habe bei knapp der Hälfte von ihnen weniger als ein Jahr gedauert. Dem Alter entspreche­nd hätten Internet und Freunde dabei eine deutlich größere Rolle gespielt als bei älteren Ausreisend­en.

Der Fall des Zwölfjähri­gen liegt nun in der Zuständigk­eit des Generalbun­desanwalts in Karlsruhe. Gegen wen er genau ermittelt, war zunächst noch offen. Der Junge ist allerdings wegen seines Alters vollkommen strafunmün­dig.

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FOTO: ANSPACH/DPA In der Nähe des Rathaus-Centers fanden Passanten schließlic­h die selbst gebastelte Bombe des zwölfjähri­gen Jungen. Der Zünder hatte nicht funktionie­rt.
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FOTO ANSPACH/DPA Auf diesem Weihnachts­markt in Ludwigshaf­en wollte der Zwölfjähri­ge ursprüngli­ch eine Bombe platzieren.

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