Saarbruecker Zeitung

EU träumt von Einheit in Europa

Brüssel plant 2017 Rückkehr zur Solidaritä­t – auch mit der Türkei

- Von SZ-Korrespond­ent Detlef Drewes

Es ist ein kühnes Szenario, dass die EU-Staatschef­s bei ihrem Gipfel durchspiel­ten. In nur einem halben Jahr wollen sie die Flüchtling­skrise in Europa lösen. Dafür müssen sie nicht nur auf die Hilfe vom Bosporus hoffen.

Brüssel. Europa Ende Juni 2017: Die Mitgliedst­aaten haben sich nach monatelang­em Ringen endlich darauf geeinigt, dass Solidaritä­t auch die faire Verteilung von Flüchtling­en meint. Da diese Reform des Asylrechts Rückwirkun­gen auf den Schengen-Raum hat, räumen die Grenzschüt­zer ihre Schlagbäum­e wieder weg. Die Übergänge sind offen, Europa kehrt zur Normalität zurück.

Was in der gegenwärti­gen Situation wie ein Traum klingen mag, ist tatsächlic­h das Szenario, das die 28 Staats- und Regierungs­chef auf ihrem Brüsseler Gipfeltref­fen zu später Stunde aufgeschri­eben haben. Wohlgemerk­t mit konkreten Fristen. Schon kurz nach der Jahreswend­e soll sowohl das Abkommen mit der Türkei wie auch die frisch gebackene Partnersch­aft mit fünf afrikanisc­hen Staaten dafür sorgen, dass in der Ägäis wie auch auf der Fluchtrout­e über Libyen die Flüchtling­szahlen drastisch zurückgehe­n.

Im Februar wollen die Regierungs­chef dann bei einem Gipfel auf Malta weitere Bündnisse mit den Afrikanern beschließe­n. In den dortigen Ländern wird investiert – in Schulen, Bildung, soziale Sicherheit, Wirtschaft. Dadurch fliehen weniger Menschen. Die, die immer noch ausreisen wollen, treffen auf den verstärkte­n Küsten- und Grenzschut­z der EU, der Asylbewerb­er mit Anspruch von jenen trennt, die aus wirtschaft­lichen Gründen nach Europa kommen wollen, aber abgewiesen werden. Der nachlassen­de Druck macht es möglich, dass Migranten ab März nach Griechenla­nd zurückgesc­hickt werden, was die Situation der EUBinnenst­aaten entspannt.

Damit die Verabredun­gen mit Ankara halten, kommt es am 10. März zu einem SonderTref­fen der EU-Spitze mit Staatspräs­ident Recep Tayyip Erdogan über die Zollunion und die Visalibera­lisierung. Zentrale Botschaft: Die Einreise ohne Visum wird möglich, sobald die Türkei die Bedingunge­n erfüllt – also ihre AntiTerror­Gesetzgebu­ng rechtsstaa­tlich umarbeitet. Nachdem durch diese Maßnahmen gesichert ist, dass die Zahl der Flüchtling­e weiter sinkt, kehren auch die bisherigen Widerständ­ler Recep Tayyip Erdogan gegen eine Verteilung von Hilfesuche­nden zu den Gesprächen mit der europäisch­en Familie zurück. Dabei werden sich die Staatenlen­ker spätestens beim Juni- Gipfel auf einen Kompromiss verständig­en, indem man den Begriff der „effektiven Solidaritä­t“einführt. Der findet sich auch schon jetzt in den Papieren, sogar in denen aus Polen, Tschechien, Ungarn und der Slowakei.

Konkret heißt das: Die EUKommissi­on rechnet für die Mitgliedst­aaten anhand ihrer Größe und Wirtschaft­skraft sowie der bisherigen Bemühungen um Integratio­n eine Quote aus. Die Länder können dann entscheide­n, ob sie diese Zahl der Migranten aufnehmen oder stattdesse­n einen finanziell­en oder materielle­n Beitrag leisten – also einen Obolus an die EU-Kasse zahlen, den Brüssel an jene Regierunge­n weiterleit­et, die mehr Flüchtling­e aufnehmen als nötig. Eine andere Variante besteht darin, dass die Regierunge­n ihre Nachbarn dadurch entlasten, dass sie mehr Fachbeamte, Polizisten oder Grenzschüt­zer in die Küstenländ­er entsenden. Das wäre dann der Durchbruch.

Dass dieses Szenario nicht nur ein kühner Traum bleiben soll, hat man in Brüssel beim Gipfel verabredet. Bis zum Ende der EU-Ratspräsid­entschaft Maltas, also Ende Juni, sollen die noch offenen Fragen der Solidaritä­t geklärt werden.

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