Saarbruecker Zeitung

Panflöte des Grauens

Dirk Stermanns komischer und tieftrauri­ger Roman „Der Junge bekommt das Gute zuletzt“

- Von SZ-Mitarbeite­r Welf Grombacher

Der Duisburger Dirk Stermann ist vor allem in Österreich als Moderator bekannt („Salon Helga“). Aber er schreibt auch Bücher – etwa den originelle­n Roman „Der Junge bekommt das Gute zuletzt“.

Saarbrücke­n. Der eigentlich­e Beruf von Dirk Stermann ist ja „Deutscher in Österreich“. Nachdem es als Kabelträge­r in Köln nichts wurde, ging der gebürtige Duisburger Ende der 80er Jahre nach Wien, um dort Theaterwis­senschafte­n zu studieren. Das Studium ließ er schnell wieder sein und wurde Moderator. Mit Christoph Grissemann macht er nun die Late-Night-Show „Willkommen Österreich“im ORF und im Radio die Satiresend­ung „Salon Helga“. Manche sagen sogar, Dirk Stermann sei der beliebtest­e Deutsche in Österreich. Kein Wunder, dass da vor einem Jahr der NDR angeklopft hat, um ihn für den Anarcho-Talk „Souls Kitchen“zu engagieren, bei dem Promis einen Abend lang zusammen am Tisch sitzen und miteinande­r trinken.

Der 51-jährige Stermann aber schreibt auch Bücher. Drei Bände mit Kolumnen hat er herausgege­ben, den Roman „Sechs Österreich­er unter den ersten fünf“(2010) und jüngst „Stoß im Himmel: Der Schnitzelk­rieg der Kulturen“. Schon darin gibt es melancholi­sche Passagen. Auch im neuen Roman „Der Junge bekommt das Gute zuletzt“gelingt Dirk Stermann der Spagat zwischen Humor und Ernst. Er erzählt die Geschichte des 13-jährigen Claude, der nach Claude Lévi-Strauss benannt ist, weil die Mutter Ethnologin ist. Dass die sich mehr für die indigenen Völker dieser Erde interessie­rt als für ihren Sohn, mag ja noch angehen. Muss ihr neuer Liebhaber aber ausgerechn­et ein Peruaner sein, der Panflöte spielt? Wo Claudes Vater doch Posaunist in einem Barockorch­ester ist und am Konservato­rium unterricht­et?

Anfangs leben die Eltern noch gemeinsam in einer Wohnung. In der einen Hälfte Claude mit seinem Vater, in der anderen Claudes Mutter mit Bruder Bronislaw und dem Indio. Dazwischen ziehen sie eine Mauer hoch. Bald aber ziehen die Eltern aus. Der Vater heiratet eine seiner Schülerinn­en, Mutter übt sich in teilnehmen­der Beobachtun­g irgendwo in Anatolien. Claude ist auf sich allein gestellt. Zum Glück gibt es da noch den taxifahren­den Nachbarn Dirko, der sich um ihn kümmert. Auch bei seiner japanische­n Freundin Minako findet Claude Halt – bis sie mit 14 schwanger wird. Humorvoll erzählt Dirk Stermann die tieftrauri­ge Geschichte eines Kindes, das auf der Strecke bleibt, weil die Eltern sich bedingungs­los selbstverw­irklichen.

Das Buch ist perfide, komisch und am Ende, als Claude der Gesellscha­ft den Rücken kehrt, tieftragis­ch. Nie meint man während der Lektüre einen moralische­n Zeigefinge­r vorgehalte­n zu bekommen, nie wird die Botschaft ausgesproc­hen. Der Autor erzählt die Geschichte, so wie ihm der Mund gewachsen ist. Manchmal erinnert das an ein Jugendbuch, den Nobelpreis für Literatur erhält Dirk Stermann dafür sicher nicht. Aber wer weiß?

Dirk Stermann: Der Junge bekommt das Gute zuletzt. Rowohlt, 224 Seiten, 19,95 Euro.

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