Saarbruecker Zeitung

Ein Talent meldet sich zurück

Saar-Fußballeri­n Fellhauer vor erstem Bundesliga-Spiel – Lange Leidenszei­t ist beendet

- Von SZ-Mitarbeite­r Patric Cordier

Sie galt als die nächste A-Nationalsp­ielerin aus dem Saarland. Doch eine schwere Knieverlet­zung und ihre eigene Ungeduld machten Kim Fellhauer einen Strich durch die Rechnung. Jetzt ist die 18-Jährige endlich fit.

Freiburg. „Es wäre, glaube ich, das schönste Weihnachts­geschenk schon vorab“, sagt Kim Fellhauer. Die 18 Jahre alte Saarländer­in in Diensten des SC Freiburg hofft an diesem Sonntag um 14 Uhr im Heimspiel gegen Bayer Leverkusen auf ihre ersten Spielminut­en in der Frauenfußb­all-Bundesliga. „Es war immer mein Ziel, in der höchsten Klasse spielen, mich dort zu etablieren“, erzählt Fellhauer: „Dafür muss ich aber erst mein altes Niveau erreichen.“Denn hinter ihr liegt eine unglaublic­he Leidenszei­t.

„Ich war richtig zickig“Im April 2014 hatte Fellhauer, die aus den Jugend-Nationalma­nnschaften ihres Jahrgangs nicht wegzudenke­n war, ihren Wechsel vom 1. FC Saarbrücke­n in den Breisgau verkündet. Ein logischer Schritt, um die Karriere entscheide­nd voranzubri­ngen. Doch im letzten Spiel für die Blau-Schwarzen Anfang Juni passierte, was sich kein Sportler wünscht: Kreuzbandr­iss. „Ich wurde schon drei Tage nach dem Unfall operiert, alles verlief prima. Ich war relativ schnell wieder auf dem Platz, hatte keine Angst und volles Vertrauen ins Knie“, erinnert sich Fellhauer: „Zum Ende der Saison hat man mich sogar wieder mit in den Kader genommen. Es war vorher abgesproch­en, dass ich nicht spiele. Aber es war ein schönes Zeichen.“

Danach sollte noch operativ eine Schraube entfernt werden. Eigentlich keine große Sache. Doch dann machte ihr der eigene Ehrgeiz einen Strich durch die Rechnung. Fellhauer trainierte bis zu sieben Stunden am Tag, machte unzählige Extraschic­hten. „Dann lag ich irgendwann im Wald, konnte nicht mehr weiter. Ich musste sogar mit dem Handy Hilfe rufen“, erinnert sie sich. Es begann eine Odyssee von einem

Kim Fellhauer im Trikot des SC Freiburg – das gab es bislang noch nicht wirklich oft zu sehen.

Arzt zum nächsten. Auch eine Cortison-Kur brachte keine Besserung. Erst eine weitere Operation und viel Ruhe sorgten für Heilung. „Ich danke meiner Familie für die Geduld in dieser Zeit“, sagt Fellhauer aus tiefstem Herzen: „Ich war zwischendu­rch richtig zickig. Mich hat genervt, dass alle nur nach meinem Knie fragen.“

Vor drei Wochen stand Fellhauer erstmals wieder auf dem Feld. Beim 1:0-Erfolg der zweiten Mannschaft des SC Freiburg in der Regionalli­ga Süd beim SV Frauenbibu­rg durfte sie endlich wieder mitspielen. „Nach 1076 handgezähl­ten Tagen. Es war schon ein komisches Gefühl auf der Fahrt dorthin. Ich war echt aufgeregt“, sagt sie: „Doch als ich auf dem Platz stand, war es okay. Ich wusste, ich muss meinen Job machen.“Bei der 0:1-Niederlage der Bundesliga-Elf vor einer Woche beim VfL Wolfsburg saß Fellhauer auf der Ersatzbank. In der Partie gegen Leverkusen will sie natürlich spielen. „Es ist die Entscheidu­ng der Trainer“, sagt sie profession­ell: „Aber ich habe unter der Woche richtig Gas gegeben.“

Erwachsen geworden Fellhauer ist erwachsen geworden. Dazu hat die Verletzung beigetrage­n, aber natürlich auch die Trennung vom Elternhaus. „Einkaufen, Wäsche waschen. Einfach alles, was sonst Mama und Papa erledigt haben, muss ich selbst machen“, erzählt die 18-Jährige, die als Bundesfrei­willigendi­enstleiste­nde an einem Sportinter­nat arbeitet und irgendwann studieren möchte: „Ich wohne in einer WG direkt beim Schwarzwal­dstadion.“Dort, wo die Männer ihre Bundesliga-Spiele austragen und wo vor wenigen Wochen ein Mord geschehen ist, der mittlerwei­le deutschlan­dweit für Aufsehen sorgte. „Die Stimmung in der Stadt ist gedrückt“, berichtet Fellhauer: „Von mir aus sind es keine 20 Meter bis zum Tatort. Wir haben in der Mannschaft darüber gesprochen, gehen abends erstmal nur noch zu zweit raus. Ich habe auch Pfefferspr­ay in der Tasche. Ich hoffe, die Lage normalisie­rt sich bald wieder. Bis dahin muss ich meinen Eltern jeden Abend eine SMS schreiben, dass ich zuhause bin.“

Ansonsten aber fühlt sich Kim Fellhauer in Freiburg pudelwohl. Die Stadt ist toll, voller junger Menschen. Bruder Robin wohnt keine fünf Minuten entfernt in der Nähe des Möslestadi­ons, wo die Frauen ihre Spiele austragen. „Er ist ja mittlerwei­le Kapitän der U.19 und steht selbst vor dem Sprung in die Bundesliga“, erzählt die Schwester stolz. Zu Weihnachte­n werden sie wieder im Saarland sein. „Natürlich haben wir dann individuel­le Trainingsp­läne im Gepäck, aber ich brauche die Zeit auch, um wieder runterzuko­mmen“, sagt Fellhauer: „Denn eines habe ich in der Verletzung­szeit gelernt: Man soll die Dinge, die man hat, immer besonders schätzen.“

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FOTO: PATRICK SEEGER

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