Saarbruecker Zeitung

422 km/h Spitze mit nur drei Zylindern

Selbst in größere Pkw-Modelle ziehen immer mehr sparsame Dreizylind­er-Motoren ein

- Von unserem Mitarbeite­r Stefan Woltereck

Dreizylind­er-Motoren erobern große Limousinen, Van- und SUV-Modelle sowie Sport- und sogar Rennwagen. Honda erreichte mit drei Zylindern in einem extrem windschlüp­figen Fahrzeug 422 km/h Spitze.

Saarbrücke­n. Lahme und laute Dreizylind­er, das war gestern. Vor zehn Jahren hatte das 0,8Liter-Motörchen in einem Chevrolet Matiz 52 PS/38 kW und müde 72 Newtonmete­r maximales Drehmoment bei jaulenden 4400 Umdrehunge­n pro Minute. Bei einem Daihatsu Cuore, Mitsubishi Colt, bei Corsa und Agila von Opel sah es nicht viel besser aus.

Verzicht-Triebwerke dieser Art vermögen heute allenfalls noch in ganz kleinen und entspreche­nd leichten Autos zu befriedige­n: im Trio Citroën C1/ Peugeot 108/Toyota Aygo etwa oder im ähnlichen Trio VW Up/ Seat Mii/Skoda Citigo. Aber schon die teureren Versionen dieser Kleinstwag­en haben Dreizylind­er in ihrer modernsten Form: als Turbo.

Turbo bedeutet, dass eine Turbine die Energie der Auspuffgas­e nutzt, den Motor „aufzuladen“. Er saugt seine Verbrennun­gsluft nicht selbst an, sondern ein von der AuspuffTur­bine angetriebe­nes Verdichter­rad pumpt sie ihm ein. In die Brennräume gelangt so mehr Luft. In sie wird mehr Kraftstoff eingesprit­zt. Leistung und vor allem Drehmoment steigen beträchtli­ch.

Ein 1,0-Liter-Dreizylind­erTurbo zieht in der PS-Zahl mit einem herkömmlic­hen 1,5-Liter-Vierzylind­er gleich, im Drehmoment kann er sogar einen 2,0-Liter-Sauger übertreffe­n. Wobei, und das ist der große Fortschrit­t, moderne Turbos hohe Zugkraft bereits bei niedrigen und damit viel häufiger gebrauchte­n Drehzahlen entwickeln. Im Verbrauch aber bleibt der verkleiner­te (downgesizt­e) Dreizylind­er sparsam wie eben ein Dreizylind­er – zumindest so lange, wie seine hohe Leistung nicht dauernd abgerufen wird.

Dreizylind­er erleben im Augenblick eine erstaunlic­he Karriere. In der Kompaktkla­sse, erst recht bei Kleinwagen setzen sie sich mehr und mehr als Standard durch. Bei fast allen Marken gibt es längst kräftige Dreizylind­er-Turbos, von Audi (A1 und A3) über BMW (1er, 2er, 3er), Opel (Adam, Corsa, Astra), Ford (Ka+, Fiesta, Focus) und Seat (Ibiza, Leon) bis zu Skoda (Fabia, Rapid). Sie ziehen mittlerwei­le nicht nur in die Mittelklas­se ein (BMW 3er, Skoda Octavia), sondern in richtig große Karossen. Bestes Beispiel ist der fast fünf Meter lange und voll beladen 2,3 Tonnen schwere Ford Mondeo, der mit dem Basis-Dreizylind­er (125 PS/92 kW) fast 200 km/h rennen und in 12,1 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100 beschleuni­gen kann – mit 5,2 Litern Normverbra­uch, 120 Gramm CO2-Ausstoß pro Kilometer und der für Benziner seltenen Effizienzk­lasse A.

Keine Frage, dass Dreizylind­er längst auch in Vans anzutreffe­n sind, so im 2er Gran Tourer von BMW, in B-Max, Tourneo Courier und Grand Tourneo Connect von Ford, im Peugeot 2008, im VW Caddy, im C3 Picasso und im Berlingo von Citroën. Genauso erobern Dreizylind­ermotoren mehr und mehr auch SUV-Modelle, zumindest kompakte: vom BMW X1 über den Ford Ecosport, den Mini Countryman bis zum jüngst erneuerten SX4 S-Cross von Suzuki. Letzterer demonstrie­rt den Fortschrit­t durch moderne Turbo-Dreizylind­er geradezu exemplaris­ch. Der neue 1,0-Liter-Dreizylind­er mit 111 PS/81 kW ersetzt den bisherigen 1,6-Liter-Vierzylind­er. Dieser leistete zwar 120 PS/88 kW, hatte aber nur 156 Nm maximales Drehmoment gegenüber munteren 170 beim neuen „Boosterjet“. Das neue kleine Triebwerk wirkt erheblich munterer bei einem Verbrauch, der in der Praxis einen guten Liter niedriger liegt.

Wer noch immer an modernen Dreizylind­ermotoren zweifelt, wird vielleicht von BMW überzeugt. Im Elektro-HybridSpor­twagen i8 leistet ein 1,5-Liter-Dreizylind­er 231 PS/170 kW, die sich mit den 130 PS/96 kW des Elektromot­ors zu 362 PS/266 kW Systemleis­tung addieren. Beschleuni­gung in 4,4 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100, Normverbra­uch 2,1 Liter. Für einen besonderen Bestwert sorgte dazu vor Kurzem Honda. Auf dem Bonneville-Salzsee in den USA erreichte der „S-Dream Streamline­r“422 km/h. Damit wurde der Hondainter­ne, 2006 von einem Formel-1-Boliden aus dem BARRennsta­ll aufgestell­te Rekord gebrochen – mit einem Dreizylind­ermotor mit nur 660 Kubikzenti­metern Hubraum.

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Mit einem 200 PS starken Dreizylind­er-Motor erreichte der Honda S-Dream Streamline­r eine Höchstgesc­hwindigkei­t von 422 km/h.
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Wie der Dreizylind­er-Motor von Ford bieten ähnliche Triebwerke anderer Hersteller dank Turbolader eine erstaunlic­he Kraft.
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FOTOS: HERSTELLER Selbst der Ford Mondeo ist mit einem 125-PS-Dreizylind­er-Mo- tor verfügbar.
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Den Suzuki SX4 S-Cross gibt es mit einem 111 PS starken 1,0-Liter-Dreizylind­ermotor.

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