Saarbruecker Zeitung

Jeder Dritte wird nicht mehr nach Tarif bezahlt

Nachteile bei Löhnen, Urlaubs- und Weihnachts­geld

- Von SZ-Korrespond­ent Stefan Vetter

Einst genossen neun von zehn deutschen Arbeitnehm­ern die Sicherheit eines Tarifvertr­ags. Die Zeiten sind vorbei. Jeder dritte muss heute darauf verzichten und steht meist schlechter bei Sonderleis­tungen. Berlin. Die Tarifbindu­ng der Arbeitnehm­er in Deutschlan­d hat nach neusten Zahlen stark abgenommen. In Westdeutsc­hland arbeiten mittlerwei­le weit weniger als zwei Drittel der Beschäftig­ten bei tarifgebun­denen Unternehme­n. In Ostdeutsch­land ist es nicht einmal mehr die Hälfte. Das geht aus dem aktuellen Entwurf des Armuts- und Reichtumsb­erichts der Bundesregi­erung hervor, der unserer Zeitung vorliegt. Danach ist die Tarifbindu­ng im Westen schon seit den 1970er Jahren im Sinkflug. Damals lag die Quote noch bei 90 Prozent. Aktuell sind 51 Prozent in Flächentar­ifen. Weitere acht Prozent der Beschäftig­ten arbeiten in Unternehme­n mit Firmentari­fverträgen.

In Ostdeutsch­land wurden schon 1998 nur 56 Prozent der Beschäftig­ten nach einem zwischen Arbeitgebe­rn und Gewerkscha­ften ausgehande­lten Flächentar­ifvertrag entlohnt. Mittlerwei­le liegt die Quote nur mehr bei 37 Prozent. Rund zwölf Prozent profitiere­n zudem von Firmentari­fen. Unter dem Strich werden im Westen derzeit also rund 59 Prozent und in Ostdeutsch­land 49 Prozent nach Tarif bezahlt.

Kritiker haben immer wieder auf den Zusammenha­ng zwischen sinkender Tarifbindu­ng und rückläufig­er Lohnentwic­klung hingewiese­n

Im Hinblick auf bestimmte Sonderleis­tungen haben tarifgebun­dene Arbeitnehm­er zudem grundsätzl­ich bessere Karten als Beschäftig­te ohne Tarifvertr­ag. Nach Angaben der gewerkscha­ftsnahen HansBöckle­r-Stiftung erhalten in diesem Jahr 71 Prozent der nach Tarif vergüteten Arbeitnehm­er ein Weihnachts­geld. Ist der Arbeitgebe­r nicht tarifgebun­den, können sich nur 44 Prozent über die Sonderzahl­ung freuen. Ähnlich krass ist der Unterschie­d beim Urlaubsgel­d. Bei Tarifbindu­ng gab es in diesem Jahr zu 61 Prozent ein Urlaubsgel­d. Von Beschäftig­ten ohne Tarifbindu­ng erhielten es nur 32 Prozent.

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