Saarbruecker Zeitung

Gabriel will Ausländern Kindergeld kürzen

Populismus beim Kindergeld wird der SPD nichts bringen

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Wirtschaft­sminister Gabriel eckt mit der Forderung an, EUBürgern das Kindergeld für im Ausland lebende Kinder zu kürzen. >

Sigmar Gabriel hat mal wieder kräftig auf die Pauke gehauen: In manchen Großstädte­n gebe es bereits ganze Straßenzüg­e „mit Schrottimm­obilien“, in denen Migranten nur deshalb wohnten, um Kindergeld auf deutschem Niveau für ihren im Ausland wohnenden Nachwuchs zu beziehen, ließ sich der SPDChef jetzt zitieren. Die Sozialdemo­kraten als Migrantens­chreck – das ist schon erstaunlic­h für eine Partei, die in Sonntagsre­den gern über Solidaritä­t und eine Stärkung der sozialen Absicherun­g schwadroni­ert. Aber wegen der Flüchtling­skrise haben in der Bevölkerun­g derzeit eben auch viele Ressentime­nts Konjunktur. Ein AfD-Funktionär hätte es dann auch kaum populistis­cher formuliere­n können als Gabriel.

Dabei geht es im konkreten Fall gar nicht um Flüchtling­e, sondern um EU-Ausländer. Und die Debatte über das Kindergeld ist dabei ein alter Hut. Über den vermeintli­chen oder tatsächlic­hen „Sozialtour­ismus“wird hierzuland­e mindestens schon seit drei Jahren verstärkt diskutiert. So lange profitiere­n Rumänen und Bulgaren bereits von der vollen Arbeitnehm­erfreizügi­gkeit in der EU. Das heißt, sie dürfen wie alle anderen EU-Bürger auch in Deutschlan­d ohne Einschränk­ungen einem Job nachgehen. Inzwischen gibt es genügend Untersuchu­ngen, die belegen, dass Beschäftig­te gerade aus diesen beiden Balkanstaa­ten hierzuland­e besonders schlecht entlohnt werden und oft ergänzend

GLOSSE Hartz-IV beziehen. Für einen groß angelegten Missbrauch des Kindergeld­es gibt es dagegen keine Belege. Wenn es in Brüssel heißt, dass weniger als ein Prozent der Leistungen für Kinder von einem in den anderen EUMitglied­sstaat gelangen, dann handelt es sich nicht um ein Massenphän­omen.

Doch darauf kommt es offenbar nicht an. Auch die breite, fast schon hysterisch geführte Diskussion über ein Burka-Verbot stand in einem umgekehrt proportion­alen Verhältnis zur Bedeutung des Problems.

Der SPD wird es keine Pluspunkte bringen, wenn sie auf solchen Empörungsw­ellen mitschwimm­t. Wem die Ausländerp­olitik in Deutschlan­d stinkt, der sieht sich ganz sicher nicht politisch bei den Sozialdemo­kraten aufgehoben. Zumal dem Parteivors­itzenden der Ruf der Sprunghaft­igkeit vorauseilt. Schon die Diskussion über Altersarmu­t hatte Gabriel nach Kräften befeuert. Um Lösungen hat er sich nicht gekümmert. Das ist das Problem der SPD. Ihr fehlt es an klaren und praktikabl­en Alternativ­en. Deshalb sitzt sie auch seit einer gefühlten Ewigkeit im 20-Prozent-Keller der Umfragen. Der Mitaspiran­t für die Kanzler-Kandidatur, Martin Schulz, hat jetzt verkündet, dass die Genossen im Bundestags­wahljahr „stärkste Partei“werden könnten. Das klingt wie Pfeifen im dunklen Wald. So vermessen ist bislang nicht einmal Sigmar Gabriel.

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Von Stefan Vetter

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