Saarbruecker Zeitung

„Vor der Geschichte zu verantwort­en“

Professor Jochum von der Christlich-Jüdischen Arbeitsgem­einschaft fordert Umbenennun­g der Röchling-Höhe

- Von SZ-Redakteur Dietmar Klosterman­n

Nun hat sich die Christlich-Jüdische AG in die Debatte um die „Röchling-Höhe“eingeschal­tet. AG-Chef Jochum fordert Ministerpr­äsidentin Kramp-Karrenbaue­r auf, sich für eine Namensände­rung einzusetze­n.

Saarbrücke­n/Völklingen/Berlin. Die Bürger-Initiative, die sich für die Umbennung des nach einem NS-Kriegsverb­recher benannten Völklinger Stadtteils „Röchling-Höhe“einsetzt, hat einen neuen Unterstütz­er. Professor Herbert Jochum, geschäftsf­ührender Vorstand des Vereins Christlich­Jüdische Arbeitsgem­einschaft des Saarlandes, schrieb jetzt einen Brief an Saar-Ministerpr­äsidentin Annegret Kramp-Karrenbaue­r (CDU), mit der Bitte, dass sie ihre Autorität für die Rückkehr zum ursprüngli­chen Namen Bouser Höhe geltend mache. Der Brief, den Jochum der SZ zur Verfügung stellte, ist von einer Delegation der Bürger-Initiative (BI) „Bouser Höhe gegen das Vergessen und die Gleichgült­igkeit“kürzlich in der Staatskanz­lei Kramp-Karrenbaue­r übergeben worden, wie BI-Mitglied Manfred Engel-Pollak bestätigte.

Jochum fordert Kramp-Karrenbaue­r auf, durch ihr Engagement für die Umbenennun­g „ein heute mehr denn je notwendige­s starkes, mutiges und eindeutige­s Zeichen für die Werte unseres Landes“zu setzen. Der Völklinger Stadteil „Röchling-Höhe“hieß ursprüngli­ch „Bouser Höhe“. Der Völklinger Stadtrat benannte den Stadteil 1956 in „HermannRöc­hling-Höhe“um, obwohl der 1955 gestorbene Stahl-Magnat 1949 von einem französisc­hen Militärger­icht in Rastatt wegen NS-Verbrechen gegen die Menschlich­keit zu zehn Jahren Haft verurteilt worden war. Bereits 1951 war er wieder in Freiheit. In den Völklinger Röchling-Werken waren während des Krieges mehrere hundert Zwangsarbe­iter eingesetzt und viele von ihnen qualvoll gestorben. Zudem war der Antisemit Hermann Röchling einer der Geldgeber Adolf Hitlers gewesen und einer seiner „Wehrwirtsc­haftsführe­r“. Nach heftigen Debatten benannte der Völklinger Stadtrat den Stadtteil 2013 in „Röchling-Höhe“um, da man nicht die gesamte Stahl-Familie Röchling für das Tun Hermann Röchlings in die Verantwort­ung nehmen dürfe.

Die Bürger-Initiative hatte bereits 2650 Unterschri­ften für die Rückbenenn­ung an den Völklinger Oberbürger­meister Klaus Lorig (CDU) übergeben. Lorig wollte darüber die Ratsfrakti­onen informiere­n, denn nur der Stadtrat kann eine erneute Umbenennun­g entscheide­n. Auch Kramp-Karrenbaue­r erhielt die Unterschri­ftenliste.

Jochum schrieb nun an die Ministerpr­äsidentin und CDUChefin, dass sich hinter der Umbenennun­g in „Röchling-Höhe“„ein Loyalitäts­konflikt verbirgt, der die Stadt verständli­cherweise unter einen gewissen Druck setzt“. Einzelnen Personen könne man diesen Konflikt aus persönlich­en Erwägungen zubilligen, so Jochum. „Eine Kommune aber hat ihre Entscheidu­ngen an objektiver­en und übergeordn­eten Kriterien zu orientiere­n und vor der Welt und der Geschichte zu verantwort­en“, betont der Vorstand des Vereins Christlich-Jüdische Arbeitsgem­einschaft des Saarlandes. Der Name Hitler stehe heute für ein menschenve­rachtendes Gewalt- und Unrechtssy­stem, für erbarmungs­losen Vernichtun­gskrieg und Völkermord. „Er ist in der ganzen Welt zum absoluten Maßstab des Bösen geworden. Und Hermann Röchling hat sich, sein Werk und alle seine Bedienstet­en aus voller Überzeugun­g und in hoher Funktion sich identifizi­erend in den Dienst dieses Systems gestellt“, schreibt Jochum. Röchling im kleinen überschaub­aren Heimatkrei­s als „Wohltäter“zu ehren, der zu Arbeit und Brot verholfen habe, könne angesichts der Millionen Opfer nur als zynisch angesehen werden.

BI-Mitglied Engel-Pollak hat auch einen Brief geschriebe­n. An Lea Rosh, Chefin des Berliner Förderkrei­ses „Denkmal für die ermordeten Juden Europas“. Darin bittet er um „unterstütz­ende Worte an Frau Kramp-Karrenbaue­r“. Denn die ist seit November Botschafte­rin des Förderkrei­ses für den „Raum der Namen“. Unter dem Berliner Holocaust-Mahnmal sollen die Biografien aller sechs Millionen von den Nazis ermordeten Juden präsentier­t werden, wofür der Förderkrei­s Geld sammelt. Antworten auf beide Briefe stehen laut Angaben der Absender noch aus.

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REPRO: SZ Mit dieser Anzeige in der SZ hat eine Völklinger Bürgerinit­iative für die Umbenennun­g der Röchling-Höhe geworben.

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