„Vor der Geschichte zu verantworten“
Professor Jochum von der Christlich-Jüdischen Arbeitsgemeinschaft fordert Umbenennung der Röchling-Höhe
Nun hat sich die Christlich-Jüdische AG in die Debatte um die „Röchling-Höhe“eingeschaltet. AG-Chef Jochum fordert Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauer auf, sich für eine Namensänderung einzusetzen.
Saarbrücken/Völklingen/Berlin. Die Bürger-Initiative, die sich für die Umbennung des nach einem NS-Kriegsverbrecher benannten Völklinger Stadtteils „Röchling-Höhe“einsetzt, hat einen neuen Unterstützer. Professor Herbert Jochum, geschäftsführender Vorstand des Vereins ChristlichJüdische Arbeitsgemeinschaft des Saarlandes, schrieb jetzt einen Brief an Saar-Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), mit der Bitte, dass sie ihre Autorität für die Rückkehr zum ursprünglichen Namen Bouser Höhe geltend mache. Der Brief, den Jochum der SZ zur Verfügung stellte, ist von einer Delegation der Bürger-Initiative (BI) „Bouser Höhe gegen das Vergessen und die Gleichgültigkeit“kürzlich in der Staatskanzlei Kramp-Karrenbauer übergeben worden, wie BI-Mitglied Manfred Engel-Pollak bestätigte.
Jochum fordert Kramp-Karrenbauer auf, durch ihr Engagement für die Umbenennung „ein heute mehr denn je notwendiges starkes, mutiges und eindeutiges Zeichen für die Werte unseres Landes“zu setzen. Der Völklinger Stadteil „Röchling-Höhe“hieß ursprünglich „Bouser Höhe“. Der Völklinger Stadtrat benannte den Stadteil 1956 in „HermannRöchling-Höhe“um, obwohl der 1955 gestorbene Stahl-Magnat 1949 von einem französischen Militärgericht in Rastatt wegen NS-Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu zehn Jahren Haft verurteilt worden war. Bereits 1951 war er wieder in Freiheit. In den Völklinger Röchling-Werken waren während des Krieges mehrere hundert Zwangsarbeiter eingesetzt und viele von ihnen qualvoll gestorben. Zudem war der Antisemit Hermann Röchling einer der Geldgeber Adolf Hitlers gewesen und einer seiner „Wehrwirtschaftsführer“. Nach heftigen Debatten benannte der Völklinger Stadtrat den Stadtteil 2013 in „Röchling-Höhe“um, da man nicht die gesamte Stahl-Familie Röchling für das Tun Hermann Röchlings in die Verantwortung nehmen dürfe.
Die Bürger-Initiative hatte bereits 2650 Unterschriften für die Rückbenennung an den Völklinger Oberbürgermeister Klaus Lorig (CDU) übergeben. Lorig wollte darüber die Ratsfraktionen informieren, denn nur der Stadtrat kann eine erneute Umbenennung entscheiden. Auch Kramp-Karrenbauer erhielt die Unterschriftenliste.
Jochum schrieb nun an die Ministerpräsidentin und CDUChefin, dass sich hinter der Umbenennung in „Röchling-Höhe“„ein Loyalitätskonflikt verbirgt, der die Stadt verständlicherweise unter einen gewissen Druck setzt“. Einzelnen Personen könne man diesen Konflikt aus persönlichen Erwägungen zubilligen, so Jochum. „Eine Kommune aber hat ihre Entscheidungen an objektiveren und übergeordneten Kriterien zu orientieren und vor der Welt und der Geschichte zu verantworten“, betont der Vorstand des Vereins Christlich-Jüdische Arbeitsgemeinschaft des Saarlandes. Der Name Hitler stehe heute für ein menschenverachtendes Gewalt- und Unrechtssystem, für erbarmungslosen Vernichtungskrieg und Völkermord. „Er ist in der ganzen Welt zum absoluten Maßstab des Bösen geworden. Und Hermann Röchling hat sich, sein Werk und alle seine Bediensteten aus voller Überzeugung und in hoher Funktion sich identifizierend in den Dienst dieses Systems gestellt“, schreibt Jochum. Röchling im kleinen überschaubaren Heimatkreis als „Wohltäter“zu ehren, der zu Arbeit und Brot verholfen habe, könne angesichts der Millionen Opfer nur als zynisch angesehen werden.
BI-Mitglied Engel-Pollak hat auch einen Brief geschrieben. An Lea Rosh, Chefin des Berliner Förderkreises „Denkmal für die ermordeten Juden Europas“. Darin bittet er um „unterstützende Worte an Frau Kramp-Karrenbauer“. Denn die ist seit November Botschafterin des Förderkreises für den „Raum der Namen“. Unter dem Berliner Holocaust-Mahnmal sollen die Biografien aller sechs Millionen von den Nazis ermordeten Juden präsentiert werden, wofür der Förderkreis Geld sammelt. Antworten auf beide Briefe stehen laut Angaben der Absender noch aus.