Der Moderne und der Radikale
Die Schirn Kunsthalle stellt Alberto Giacometti und Bruce Nauman gegeneinander
Künstler gegenüber zu stellen, ist ein Ausstellungstrend, der manchmal neue Perspektiven eröffnet. Die Schirn versucht es mit Alberto Giacometti und Bruce Nauman. Ist das gelungen?
Frankfurt. Bedeutende Künstler in einer Doppelausstellung zu zeigen, avanciert gerade zu einer neuen Mode in den Kunstmuseen. Kein Wunder, braucht doch der hochtourige Ausstellungsbetrieb immer neue Blockbuster mit großen Namen und außergewöhnlichen Konzepten. Nicht immer funktioniert das aber perfekt, wie nun die Ausstellung in der Frankfurter Schirn beweist.
Der Schweizer Alberto Giacometti (1901–1966) zählt zu den bedeutendsten europäischen Bildhauern der klassischen Moderne. Mit seinen dürren Bronzefiguren ist er einer der Wegbereiter zentraler Entwicklungen der Kunst nach 1960. Der Amerikaner Bruce Nauman (75) steht mit seinem vielgestaltigen Werk für die radikalen Umwälzungen der Kunst seit 1960 und für einen konzeptuell entgrenzten Begriff von Skulptur und Plastik.
Auch wenn die bildhauerische Arbeit für Giacometti und Nauman eine vorrangige Rolle spielt, sind sie weder hinsichtlich der von ihnen verwendeten Medien und Materialien noch im Sinne eines gemeinsamen
Giacomettis „Grande femme IV“aus dem Jahr 1960.
Stils miteinander vergleichbar. Gemeinsam ist ihnen nur der Hang zur Reduktion. Aber auch ihre Fragestellungen etwa in der Auseinandersetzung mit dem Verhältnis von Körper und Raum sind ähnlich, was allerdings wenig überraschen kann: Dies gehörte zu den zentralen Fragestellungen der Kunst des 20. Jahrhunderts. Das war es dann auch schon mit den Gemeinsamkeiten; so wird es schwer, Bezüge zu finden und die Werke zum Klingen zu bringen. Manchmal funktioniert das gut, wie etwa im Eingangsbereich, wo Giacomettis „L’Objet Invisible“die Leere in Händen zu halten scheint und in Naumans „Lighted Center Piece“vier Scheinwerfer eine leere Aluminiumplatte beleuchten. Plötzlich versteht man beide Werke ohne erklärenden Text.
Im zweiten Kapitel geht es dann um den Raum als Illusion – schon verliert die Ausstellung ihren Zauber, weil die Werke nebeneinander versauern, ohne in einen Dialog zu treten. Es wird zwar deutlich, was Kuratorin Esther Schlicht zeigen möchte, doch die Wirkung verliert sich. Ähnlich im nächsten Kapitel: Selbst dort, wo die Ausstellung den Einfluss des irischen Schriftstellers Samuel Beckett auf beide Künstler erkundet, scheinen die Arbeiten zusammenhanglos zu sein.
Erst im zweiten Saal wird wieder erfahrbar, warum die Kuratorin die beiden Künstler nebeneinanderstellt. Beide erforschen hier den Raum und seine Grenzen. Giacometti tut das mit seinen Plastiken, Nauman vor allem mit Videoperformances, Skulpturen und Fotografien. Ästhetische Parallelen lassen sich durchaus finden, wie etwa im Kapitel „Fragment“, wo der Körper und seine Teile zum Schauplatz von Schmerz und Leid werden.
Damit eine solche Ausstellung funktioniert, müssen sich die Werke ergänzen, neue Deutungsmöglichkeiten eröffnen, eine andere Sicht ermöglichen. Das gelingt trotz perfekter Inszenierung aber nur gelegentlich. Dass man den Besuch trotzdem empfehlen kann, liegt vor allem an den rund 150 Werken der beiden Künstler. Darunter sind 70 Werke Giacomettis, von denen einige als Hauptwerke des Künstlers gelten. Wie etwa „Le Nez“von 1947, jener Kopf mit überlanger Nase, der in einem Gestell hängt, oder „Homme qui marche“von 1960. Auch wenn die Ausstellung nicht restlos überzeugen kann, ist sie damit einen Besuch wert. Ihr größtes Verdienst ist es, dass sie Giacometti als radikalen Künstler zeigt, der auch noch mit der nächsten Generation mithalten kann, ohne etwas von seiner Kraft und Aktualität einzubüßen.
Bis 22. Januar. Dienstag und Freitag bis Sonntag 10 bis 19 Uhr geöffnet, Mittwoch und Donnerstag 10 bis 22 Uhr. www.schirn.de