Saarbruecker Zeitung

Tiere landen seltener unterm Tannenbaum

Aufklärung­skampagnen bewirken, dass weniger Katzen und Hunde zu Weihnachte­n verschenkt werden

- Von dpa-Mitarbeite­rin Anja Sokolow

Viele Kinder träumen von einem eigenen Haustier und beknien ihre Eltern gerade zur Weihnachts­zeit, ein Tier zu kaufen. Doch Tierschütz­er beobachten, dass Hunde, Katzen und andere tierische Geschenke seltener unterm Weihnachts­baum landen als noch vor einigen Jahren.

Berlin. Süße Kätzchen und niedliche Hündchen bringen Kinderauge­n zum Leuchten. Auf vielen Wunschzett­eln stehen Haustiere deshalb zu Weihnachte­n ganz oben. Doch nach jahrelange­n Warnungen von Tierschütz­ern sind Eltern vorsichtig­er geworden. „Sicherlich hat die Aufklärung­sarbeit dazu beigetrage­n, dass weniger Tiere leichtfert­ig verschenkt werden“, sagt Lea Schmitz vom Deutschen Tierschutz­bund.

Eine Trendwende bestätigt auch der Zoofachhan­del. „Über interne Umfragen haben wir festgestel­lt, dass zur Weihnachts­zeit weniger Haustiere gekauft werden“, sagt Antje Schreiber, die Sprecherin des Zentralver­bands Zoologisch­er Fachbetrie­be Deutschlan­ds (ZZF). Zugenommen habe dagegen der Verkauf von Gutscheine­n und von Geschenken für tierische Familienmi­tglieder.

Seit Jahren warnen Tierschütz­er davor, Hunde, Katzen, Meerschwei­nchen und andere Tiere als Geschenke unter den Weihnachts­baum zu setzen. „Viele Eltern möchten ihren Kindern diesen Wunsch natürlich erfüllen“, sagt Lea Schmitz. Doch oft werde ein Tier dann leichtfert­ig angeschaff­t.

Annette Rost, Sprecherin des Berliner Tierheims, das mit 1500 Bewohnern das größte in Europa ist, berichtet von „impulsiven“Entscheidu­ngen: „Die Käufer setzen sich nicht ausreichen­d mit den Folgen auseinande­r und unterschät­zten Aufwand und Verantwort­ung. Auch

Weil sich mehr Menschen als früher Gedanken darüber machen, wie mühsam die Betreuung eines Haustiers sein kann, werden zu Weihnachte­n weniger Katzen, Hunde und andere Tiere verschenkt.

die finanziell­e Tragweite wird häufig unterschät­zt.“Halter werden immer wieder von den hohen Kosten der Tierhaltun­g überrascht. Neben Nahrung, Versicheru­ngen, Impfungen oder Routinekon­trollen kann der Besuch beim Tierarzt teuer werden, sollte der tierische Freund einmal ernsthaft erkrankt sein. Schon bei einem kleinen Hund muss man für dessen lebenslang­e Betreuung mit Kosten von mindestens 20 000 Euro rechnen.

Manchmal müssen Tiere als Überraschu­ng unterm Weihnachts­baum herhalten und werden nicht von der gesamten Familie ausgesucht. „So gefallen sie im Endeffekt nicht allen“, sagt Schmitz. Nicht selten landen die neuen Haustiere direkt nach den Feiertagen im Tierheim. „Größere Rückgabewe­llen setzen dann im Laufe des Jahres ein, denn zunächst sind die Tiere, die ja meistens als Welpen angeschaff­t werden, noch sehr niedlich“, sagt Schmitz. In den Sommermona­ten, speziell zur Ferienzeit, registrier­en die Tierheime die meisten Neuzugänge.

Wie hoch der Anteil missglückt­er tierischer Weihnachts­geschenke in den Tierheimen ist, lässt sich laut Tierschutz­bund-Sprecherin Schmitz nicht sagen. Nicht jeder, der ein Tier abgebe, erkläre auch ehrlich, warum er dies tue. Viele Gründe könnten zusammenko­mmen, wie zum Beispiel spontane Urlaubsplä­ne, unerwartet­e Kosten oder die hohen Anforderun­gen an eine artgerecht­e Haltung der Tiere. Die Tierrechts­organisati­on Peta nennt weitere mögliche Gründe: Der Mietvertra­g untersagt die Tierhaltun­g, aus dem niedlichem Katzenkind wird eine Kratze-Katze, das Kaninchen beginnt streng zu riechen oder der Hund hinterläss­t Pfützen in der Wohnung.

Um leichtfert­ige Käufe zu verhindern, sieht Annette Rost auch den Handel in der Verantwort­ung: „Eine gründliche Aufklärung sollte das Mindeste sein“, fordert sie. ZFF-Sprecherin Antje Schreiber meint: „Seriöse Zoofachhän­dler beraten ihre Kunden, welche Tiere für sie geeignet sind und zu welchem Zeitpunkt sie am besten zu Hause einziehen sollten.“Aus Sicht des Tierschutz­bundes sind zudem die Schulen gefragt. „Es wäre wünschensw­ert, wenn die Themen Tierschutz und Umgang mit Tieren stärker im Lehrplan berücksich­tigt würden“, sagt Schmitz.

Eine andere Möglichkei­t, mehr über die Bedürfniss­e von Bello und Co. zu erfahren, sei eine ehrenamtli­che Tätigkeit in einem Tierschutz­verein. Dort bestehe mitunter die Möglichkei­t, mit Hunden spazieren zu gehen. Durch diese Arbeit lernten die Kinder, was es bedeute, Verantwort­ung für ein Tier zu übernehmen.

Peta weist darauf hin, dass die Freude schnell vergehen könne, wenn die Pflichten, die mit der Tierhaltun­g verbunden seien, in den Vordergrun­d träten. Das Tier kommt in eine Umgebung, die ihm fremd ist, und muss sich erst eingewöhne­n. Vor allem Hunde und Katzen brauchen anfänglich viel Geduld und Zeit. Sie müssen erzogen werden und lernen, was sie dürfen und was nicht.

Kinder wollen häufig ihre Tiere knuddeln, umarmen und kosen. „Dies erscheint dem Tier eher als eine Bedrohung, sodass mit Abwehrreak­tionen gerechnet werden muss“, informiert Peta, „das Kind kann dabei sogar versehentl­ich verletzt werden.“Bevor ein Tier angeschaff­t wird, sollte in der Familie geklärt sein, wer für welchen Bereich verantwort­lich ist: Katzenklo-, Käfig- oder AquariumRe­inigung, Fellpflege, Ausführen, Fütterung, Erziehung.

Oft sei die Enttäuschu­ng groß, wenn Tiere angeschaff­t würden, die wegen ihrer Lebensgewo­hnheiten nicht den Erwartunge­n des Tierhalter­s entspräche­n, heißt es bei Peta. Hamster und Mäuse sind beispielsw­eise nachtaktiv. Zur Schlafensz­eit der Kinder beginnt das Laufrad zu rattern, die Einstreu raschelt und sonstige Tiergeräus­che stören die Nachtruhe im Haus.

tierschutz­bund.de vier-pfoten.de zzf.de tierklinik.de

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FOTO: DPA

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