Mit dem Handy gegen Spinnen-Angst
Saar-Forscherinnen entwickeln virtuelles Therapie-Projekt gegen Arachnophobie
Saar-Uni-Psychologinnen wagen sich auf eines der schwierigsten Therapie-Felder der Menschheitsgeschichte. Mit dem Einsatz von Tablets und Smartsphones wollen sie die grassierende Spinnenangst besiegen.
Saarbrücken. Die Mutter allen Grauens ist dunkelbraun und behaart, meist kaum größer als ein Zwei-Euro-Stück und auf acht Beinen unterwegs. „Besonderen Schrecken hat sicherlich die Winkelspinne oder auch Kellerspinne genannt. Sie löst aus unserer Erfahrung bei den Patienten die größten Angst- und Ekelreaktionen aus“, sagt Johanna Lass-Hennemann der SZ auf die Frage, welche Spinnenart im Saarland am häufigsten ist und der man am häufigsten begegnet.
Dabei ist „man“nicht ganz korrekt. Bis zu 90 Prozent aller Menschen mit Spinnenangst seien Frauen, sagt Lass-Hennemann, die als wissenschaftliche Mitarbeiterin an einem Projekt von Professorin Tanja Michael an der Saar-Uni beteiligt ist. Dieses Projekt von Psychologen und Psychotherapeuten hat ein großes Ziel: All die vielen Spinnenangst-Besessenen mit einer virtuellen Therapie von ihrem Grauen zu befreien – und das ganz ohne Tierversuche (die SZ berichtete kurz).
Heute wüssten die Experten, dass ein Großteil der pathologischen Ängste erlernt sei. „Entweder dadurch, dass man selbst eine negative Erfahrung mit Spinnen gemacht hat oder aber durch Beobachtungslernen. Dass man sieht, dass die Mutter Angst vor Spinnen hat“, erklärt Lass-Hennemann. Allerdings gebe es auch eine „biologische Vorbereitung“für bestimmte Ängste. „Wir entwickeln eher Ängste vor Spinnen und Schlangen als vor elektrischem Strom“, schildert die Projektmitarbeiterin. Die Spinnenangst könne natürlich auch über Medien erworben werden, in denen Spinnen als „eklig“dargestellt würden. Schon im Kinderfernsehen fange dies mit der Spinne Tekla bei der Biene Maja an.
Die Folgen der Spinnenangst für die Betroffenen können dramatisch sein. „Bei sehr schwerer Phobie meiden die Patienten jeden Kellergang, gehen ungerne raus in die Natur, saugen ihr Zimmer extrem oft, möblieren nur spärlich, um alles im Blick zu haben. Es kommt also zu einer Einschränkung der Lebensführung“, beschreibt Lass-Hennemann die Auswirkungen, wenn wollen jedenfalls mit Unterstützung von Professor Matthias Riemenschneider von der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Uniklinikums Homburg, des Fraunhofer-Instituts für Biomedizinische Technik in St. Ingbert sowie der Promotion Software GmbH aus Potsdam bis 2019 ein Ergebnis erzielen, das dem Grauen den Garaus machen kann. Dafür stehen 1,8 Millionen Euro aus öffentlichen Mitteln zur Verfügung.
Ziele sind eine App oder eine Datenbrille, mit der die Patientinnen quasi spielerisch ihrer Ängste Herr werden sollen.
Das Projekt trägt den klangvollen Namen „Digitale Therapie zur häuslichen Behandlung von spezifischen Phobien – Digiphobie“. Bereits nach etwa zwei Jahren wollen die Projektteilnehmer einen „Demonstrator“bereitstellen, mit dem „viele Millionen Betroffene ihre Angst schnell und ohne großen Aufwand in den Griff bekommen“, wie Mohr sagt.
Dabei soll das große Projekt auch für die Spinnen von Nutzen sein. „Denn auch die Spinnen dürften beim Kontakt mit aus ihrer Sicht gigantisch großen Lebewesen wie den Menschen eine gehörige Portion Angst verspüren“, betont Mohr. Dann nehmen die Spinnen ihre acht Beine unter die Arme und rennen davon. Bleibt nur die letzte Frage: Was sagen die Tier-Therapeuten dazu?