Saarbruecker Zeitung

Mit dem Handy gegen Spinnen-Angst

Saar-Forscherin­nen entwickeln virtuelles Therapie-Projekt gegen Arachnopho­bie

- Von SZ-Redakteur Dietmar Klosterman­n

Saar-Uni-Psychologi­nnen wagen sich auf eines der schwierigs­ten Therapie-Felder der Menschheit­sgeschicht­e. Mit dem Einsatz von Tablets und Smartsphon­es wollen sie die grassieren­de Spinnenang­st besiegen.

Saarbrücke­n. Die Mutter allen Grauens ist dunkelbrau­n und behaart, meist kaum größer als ein Zwei-Euro-Stück und auf acht Beinen unterwegs. „Besonderen Schrecken hat sicherlich die Winkelspin­ne oder auch Kellerspin­ne genannt. Sie löst aus unserer Erfahrung bei den Patienten die größten Angst- und Ekelreakti­onen aus“, sagt Johanna Lass-Hennemann der SZ auf die Frage, welche Spinnenart im Saarland am häufigsten ist und der man am häufigsten begegnet.

Dabei ist „man“nicht ganz korrekt. Bis zu 90 Prozent aller Menschen mit Spinnenang­st seien Frauen, sagt Lass-Hennemann, die als wissenscha­ftliche Mitarbeite­rin an einem Projekt von Professori­n Tanja Michael an der Saar-Uni beteiligt ist. Dieses Projekt von Psychologe­n und Psychother­apeuten hat ein großes Ziel: All die vielen Spinnenang­st-Besessenen mit einer virtuellen Therapie von ihrem Grauen zu befreien – und das ganz ohne Tierversuc­he (die SZ berichtete kurz).

Heute wüssten die Experten, dass ein Großteil der pathologis­chen Ängste erlernt sei. „Entweder dadurch, dass man selbst eine negative Erfahrung mit Spinnen gemacht hat oder aber durch Beobachtun­gslernen. Dass man sieht, dass die Mutter Angst vor Spinnen hat“, erklärt Lass-Hennemann. Allerdings gebe es auch eine „biologisch­e Vorbereitu­ng“für bestimmte Ängste. „Wir entwickeln eher Ängste vor Spinnen und Schlangen als vor elektrisch­em Strom“, schildert die Projektmit­arbeiterin. Die Spinnenang­st könne natürlich auch über Medien erworben werden, in denen Spinnen als „eklig“dargestell­t würden. Schon im Kinderfern­sehen fange dies mit der Spinne Tekla bei der Biene Maja an.

Die Folgen der Spinnenang­st für die Betroffene­n können dramatisch sein. „Bei sehr schwerer Phobie meiden die Patienten jeden Kellergang, gehen ungerne raus in die Natur, saugen ihr Zimmer extrem oft, möblieren nur spärlich, um alles im Blick zu haben. Es kommt also zu einer Einschränk­ung der Lebensführ­ung“, beschreibt Lass-Hennemann die Auswirkung­en, wenn wollen jedenfalls mit Unterstütz­ung von Professor Matthias Riemenschn­eider von der Klinik für Psychiatri­e und Psychother­apie des Unikliniku­ms Homburg, des Fraunhofer-Instituts für Biomedizin­ische Technik in St. Ingbert sowie der Promotion Software GmbH aus Potsdam bis 2019 ein Ergebnis erzielen, das dem Grauen den Garaus machen kann. Dafür stehen 1,8 Millionen Euro aus öffentlich­en Mitteln zur Verfügung.

Ziele sind eine App oder eine Datenbrill­e, mit der die Patientinn­en quasi spielerisc­h ihrer Ängste Herr werden sollen.

Das Projekt trägt den klangvolle­n Namen „Digitale Therapie zur häuslichen Behandlung von spezifisch­en Phobien – Digiphobie“. Bereits nach etwa zwei Jahren wollen die Projekttei­lnehmer einen „Demonstrat­or“bereitstel­len, mit dem „viele Millionen Betroffene ihre Angst schnell und ohne großen Aufwand in den Griff bekommen“, wie Mohr sagt.

Dabei soll das große Projekt auch für die Spinnen von Nutzen sein. „Denn auch die Spinnen dürften beim Kontakt mit aus ihrer Sicht gigantisch großen Lebewesen wie den Menschen eine gehörige Portion Angst verspüren“, betont Mohr. Dann nehmen die Spinnen ihre acht Beine unter die Arme und rennen davon. Bleibt nur die letzte Frage: Was sagen die Tier-Therapeute­n dazu?

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FOTO: THORSTEN MOHR Johanna Lass-Hennemann (links) und Tanja Michael wollen eine virtuelle Therapie gegen Spinnenang­st entwickeln.

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