Saarbruecker Zeitung

Hat der Beichtstuh­l ausgedient? „Die Beichte ist ehrlicher geworden.“Der katholisch­e Pfarrer Eugen Vogt

Die SZ hat einen Saarbrücke­r Pfarrer gefragt, ob das Sündenbeke­nntnis noch zeitgemäß ist

- PRODUKTION DIESER SEITE: FATIMA ABBAS ROBBY LORENZ

Ist der Beichtstuh­l zu einem verstaubte­n Möbelstück verkommen? Und wenn nein: Wer geht heutzutage noch beichten? Der Saarbrücke­r Pfarrer Eugen Vogt erklärt im Gespräch mit SZ-Redaktions­mitglied Fatima Abbas, wie sich das Sakrament der Beichte mit den Jahren verändert hat. Herr Vogt, hat die traditione­lle Beichte, wie sie viele Katholiken aus ihrer Jugendzeit kennen, ausgedient? Es hat sich vieles verändert in den letzten Jahrzehnte­n. Es gibt aber eine Wiederentd­eckung. Die Beichte ist eine Hilfe, sich auszusprec­hen und Schuld zu bearbeiten. Das Gespräch spielt eine große Rolle.

Gibt es eine Beichtpfli­cht? Ein katholisch­er Christ ist nur verpflicht­et zu beichten, wenn er sich einer schweren Schuld bewusst ist.

Dürfen nur Katholiken bei Ihnen beichten? Es geht eigentlich nur, wenn man Christ ist und an die Sakramente glaubt.

Wie können die Menschen in der Basilika St. Johann beichten? Es gibt hier einen traditione­llen, schalldich­ten Beichtstuh­l, einen Raum des Vertrauens. Jeden Donnerstag und Samstag bieten wir feste Beichtzeit­en an. Dann ist immer ein Priester anwesend, der auch eine anonyme Beichte anbietet. Zehn bis 15 Prieser wechseln sich wöchentlic­h ab. Es gibt außerdem noch die Möglichkei­t eines direkten Versöhnung­sgesprächs in der Taufkirche. Da sitzen sich Pfarrer und Beichtende­r gegenüber. Jetzt vor Weihnachte­n gibt es noch mehr Angebote, auch Bußgottesd­ienste, bei denen gemeinsam gebeichtet wird. Es gibt derzeit auch mehr Leute, die spirituell suchen.

Wird das Angebot überhaupt noch genutzt? Wie viele Menschen kommen denn zu Ihnen? Das ist sehr unterschie­dlich. Wir haben das feste Beicht-Angebot bereits seit einem Jahr und es wird durchaus genutzt. Ich habe noch nie erlebt, dass zwei Stunden lang niemand kommt.

Und wer kommt hier beichten? Viele junge Menschen entdecken die Beichte wieder neu. Es kommen viele aus Italien, Polen und Lateinamer­ika. Dort ist die Beichte auch anders verankert als hierzuland­e. Außerdem kommen ältere Menschen öfter beichten, für viele ist es eine Art Lebensbegl­eitung. Nur die Menschen mittleren Alters kommen selten. Das liegt wohl daran, dass diese Generation Beichte als etwas Negatives erlebt hat. Aber ist das nicht verständli­ch? Ja, früher war die Beichte stets mit Druck und Angst verbunden. Der dunkle, unheimlich­e Beichtstuh­l – viele haben damit schlechte Erfahrunge­n gemacht. Sie haben in diesem Sakrament nur Gott als Richter wahrgenomm­en. Die Kirche hat sich das selber kaputtgema­cht. Beichte ist negativ besetzt, dabei sollte es etwas Positives sein. Ich spreche lieber vom Sakrament der Versöhnung statt von Beichte. Denn der Akt ist eigentlich etwas Wunderschö­nes.

Aber was ist daran wunderschö­n, wenn man eingetrich­tert bekommt, man müsse sich schuldig fühlen? Ist dieses Konzept der Schuld und Sühne nicht antiquiert? Das Gewissen ist ein innerer Kompass, der uns sagt, was gut und böse ist. Man ist zutiefst dankbar, wenn man über Schuld und Versöhnung spricht. Es gibt unendliche Leidgeschi­chten, die darauf zurückgehe­n, dass man unversöhnt ist. Wir wollen nicht, dass Kinder sich nur von Werbung und Medien leiten lassen.

Das ist ein wichtiger Punkt. Was hat sich denn in der Beichtkult­ur genau verändert? Vor 60 Jahren standen die Leute von morgens bis abends Schlange, um beichten zu gehen. Das war wie am Fließband. Aber alles sehr schematisc­h. Erwachsene und Kinder hatten einen sogenannte­n Beichtspie­gel mit zehn Punkten, der sich an den zehn Geboten orientiert­e. Also, quasi eine Liste, die abgearbeit­et wurde. Vor allem auf das sechste Gebot „Du sollst nicht ehebrechen“war man sehr fixiert. Auch auf Sexualität. Wenn die Menschen mit Registern in der Hand beichten gehen, kann man als Pfarrer gar nicht mehr wissen, was sie wirklich bewegt.

Ist die Beichte heutzutage authentisc­her als früher? Man kann sagen, die Beichte ist ehrlicher geworden. Früher hat man sich Spickzette­l geschriebe­n, das war viel oberflächl­icher. Es war früher keine innere Befreiungs­erfahrung. Man hat sich vielmehr gezwungen gefühlt, dem Priester jedes Detail zu beichten und der hat die Leute regelrecht ausgefragt.

Was wird denn so gebeichtet? Was konkret gebeichtet wird, kann ich natürlich nicht verraten. Priester unterliege­n einer absoluten Schweigepf­licht. Allgemein kann man aber sagen, dass es häufig um Partnersch­aft und Ehe geht, um den Umgang mit Arbeitskol­legen, die Beziehung zu Gott und zum eigenen Körper. Es gibt auch Menschen, die stundenlan­g die Sünden der anderen beichten (lacht). Das ist natürlich nicht Sinn und Zweck der Sache.

Und was tun Sie, wenn Ihnen jemand ein Verbrechen gesteht? Das ist noch nie vorgekomme­n. Aber selbst in diesem Fall haben wir ein Zeugnisver­weigerungs­recht. Natürlich würden wir an das Gewissen appelliere­n und der Person nahelegen, zur Polizei zu gehen.

Wird auch Intimes gebeichtet? Alles. Bis ins tiefste Detail.

Und verzeihen Sie alles? Wenn ich jetzt zu Ihnen sagen würde: Ich habe gestern abgetriebe­n. Würden Sie mir vergeben? Am 20. November hat Papst Franziskus ein Schreiben rundgeschi­ckt, dass Priester dazu aufruft, auch Abtreibung und andere schwerwieg­ende Vergehen zu vergeben.

Auch Homosexual­ität? Das ist ja keine Sünde.

Gibt es denn Fälle, in denen Sie keine Vergebung ausspreche­n? Ja, wenn jemand beispielsw­eise eine Straftat begeht und sie nicht bereut.

Was halten Sie von der digitalen Beichte, also von Webseiten, die die anonyme Beichte im Internet anbieten? Es kann ein sinnvolles Angebot sein, aber es ersetzt nicht den menschlich­en Kontakt. Gott vergibt die Sünde durch das Wort des Priesters. Der menschlich­e Kontakt gehört zur Beichte wie das Wasser zur Taufe.

Gehen Sie auch selber beichten? Ja, ich habe einen Priester, bei dem ich ab und zu beichte und der mich geistlich begleitet.

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FOTOS: MAURER/BECKER&BREDEL Wenn das Lämpchen rot leuchtet, ist der Beichtstuh­l besetzt: Pfarrer Matthias Holzapfel in der Basilika St. Johann.
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