Saarbruecker Zeitung

Ausschuss beendet Silvestern­acht-Befragung

Fall Köln: Über 1000 Anzeigen von Frauen ausgewerte­t

-

Massenhaft bedrängte Frauen in Köln, hilflose Polizisten, ahnungslos­e Politiker – das war vor gut einem Jahr die Silvestern­acht in Köln. Der Untersuchu­ngsausschu­ss des NRWLandtag­s schreibt jetzt die letzten Seiten eines Politkrimi­s.

Düsseldorf. „Ich fühlte mich in dieser Nacht nicht wie ein Mensch, sondern eher wie ein Gegenstand.“Für über 1000 Frauen war die Silvestern­acht 2015/16 ein Horror. Nach einem Jahr beendete der Untersuchu­ngsausschu­ss des Düsseldorf­er Landtags gestern seine 178 Zeugenvern­ehmungen.

Das Ergebnis? Der letzte Zeuge, Kriminalps­ychologe Rudolf Egg, formuliert es so: „Viele Frauen wussten, dass ihre Anzeige kaum zu Verurteilu­ngen führen wird, weil sie niemanden identifizi­eren konnten. Aber der Untersuchu­ngsausschu­ss zeigt ihnen wenigstens, dass sie ernst genommen werden, dass man nichts klein redet oder kaputt schweigt.“Die Opfer kamen in den 59 Sitzungsta­gen des parlamenta­rischen Gremiums allerdings nicht selbst zu Wort. Egg gab ihnen eine Stimme und zitierte an zwei Sitzungsta­gen aus erschütter­nden Aussagen der missbrauch­ten Frauen. Der Kriminolog­e hat über 1000 Anzeigen der Silvestern­acht ausgewerte­t.

Sein Fazit: „Es war eine Nacht der Hilflosigk­eit – der Opfer und der Hilfskräft­e.“Im Sitzungssa­al des Landtags werden die Schicksale der Frauen als „Fallakte“mit Laufnummer eingeführt. Was sie erlebt haben, ist für die drangsalie­rten Frauen ein Alptraum – für Kriminalis­ten ist es eine neue Vorgehensw­eise, wie ein Beamter des Bundeskrim­inalamts (BKA) als vorletzter Zeuge berichtet. Zusammen mit einer Bund-Länder-Arbeitsgru­ppe hat das BKA die Exzesse in aufgearbei­tet. Die Tatmasche: Junge Zuwanderer – weit überwiegen­d aus den Maghreb-Staaten – kesseln junge Frauen ein, begrapsche­n sie, dringen teilweise mit Fingern in die Frauen ein und rauben sie dabei auch noch aus. „Das gab es in der Geschichte der Bundesrepu­blik noch nicht“, stellt Egg fest. In der Dimension habe es das auch „in keinem anderen europäisch­en Staat“gegeben, fasst auch der BKABeamte zusammen.

Für den Kriminalps­ychologen Egg ist unvorstell­bar, dass die Dimension dieser Verbrechen­skette tagelang weder in der Polizei noch in übergeordn­eten Behörden aufgefalle­n sein soll. Immerhin hätten bis zum Neujahrsab­end 2016 schon rund 200 Anzeigen vorgelegen. Überwiegen­d Eigentumsd­elikte zwar, darunter aber „sehr ungewöhnli­che Straftaten“, die jeden kriminalis­tisch erfahrenen Beamten hätten alarmieren müssen, sagt Egg. Möglicherw­eise habe es Kommunikat­ionsfehler gegeben. „Sonst wurde etwas vertuscht oder verschwieg­en.“

Immerhin wurde gestern erstmals ein Strafverfa­hren aus der Silvestern­acht 2015 in dritter Instanz rechtskräf­tig abgeschlos­sen. Wegen schweren räuberisch­en Diebstahls und schwerer Körperverl­etzung verurteilt­e das Oberlandes­gericht Köln einen Algerier zu einer Haftstrafe. dpa

Newspapers in German

Newspapers from Germany