Saarbruecker Zeitung

Keine Lügen im Bundestags­wahlkampf?

SPD-Kanzlerkan­didat Schulz will keine Verhältnis­se wie in Amerika. Jetzt reden alle Parteien über ein Fairness-Abkommen gegen „Fake News“– fast alle.

- VON WERNER KOLHOFF „Das darf uns nicht passieren.“ SPD-Kandidat Martin Schulz über Fake News im US-Wahlkampf

BERLIN Eine ganze Passage seiner Antrittsre­de am Sonntag widmete der frisch gekürte SPD-Spitzenkan­didat Martin Schulz im Berliner Willy-Brandt-Haus der Fairness im kommenden Wahlkampf. Er lade die anderen Parteien dazu ein, ein entspreche­ndes Abkommen zu schließen, sagte Schulz und verwies ausdrückli­ch auf die Lügen im amerikanis­chen Präsidents­chaftswahl­kampf. „Das darf uns nicht passieren.“Tatsächlic­h scheint es noch Spielraum für Verhandlun­gen zu geben.

Zwar reagierte CDU-Generalsek­retär Peter Tauber mit der Retourkuts­che, es sei doch bemerkensw­ert, dass die SPD sich offenbar selbst verpflicht­en müsse, einen fairen Wahlkampf zu führen. Aus seiner Sicht brauche es für eine solche Selbstvers­tändlichke­it kein übergeordn­etes Parteienbü­ndnis. Ähnlich die Grünen: „Wir treten grundsätzl­ich für Transparen­z und Fairness im demokratis­chen Willensbil­dungsproze­ss ein.“Es war wohl die Tatsache, dass die SPD ihren Vorstoß öffentlich präsentier­te, der diesen Abwehrrefl­ex verursacht­e. Keiner lässt sich gern als unfair darstellen. Schon im Dezember, als die Genossen erstmalig öffentlich vorgepresc­ht waren, hatte Tauber von einer „ärgerliche­n PR-Nummer“der Sozialdemo­kraten gesprochen, die damit nur den Eindruck erwecken wollten, die anderen Parteien würden zu solchen Maßnahmen greifen. Auch aus der FDP war zu hören, dass das Vorgehen der SPD dem Anliegen mehr schade als nutze.

In der Sache aber gibt es aber offenbar noch Chancen. Es wurden inzwischen mehrere Briefe zwischen den Generalsek­retären der Parteien hin- und hergeschic­kt. Teilweise enthalten sie schon detaillier­te Vorschläge. So hat SPDGeneral­sekretärin Katharina Barley basierend auf einen Parteivors­tandsbesch­luss von Anfang Dezember vorgeschla­gen, ein Fairnessab­kommen speziell für den digitalen Wahlkampf abzuschlie­ßen. Alle sollten sich von der Erstellung und Verbreitun­g so genannter Fake-News (absichtlic­he Falschmeld­ungen) in den sozialen Medien distanzier­en. Und verbindlic­h auf „social bots“verzichten. Das sind Schein-Identitäte­n in den sozialen Medien, mit denen sich die Fälscher an Diskussion­sforen beteiligen. Teilweise sogar mit automatisi­erten Programmen.

Von Fake-News sind alle Parteien betroffen. Über Schulz kursiert derzeit etwa die Lüge, sein Vater sei an KZ-Erschießun­gen beteiligt gewesen. Und der Grünen Renate Künast wurde kürzlich ein frei erfundenes Zitat in den Mund gelegt, mit dem sie angeblich Verständni­s für den mutmaßlich­en Vergewalti­ger und Mörder einer Freiburger Studentin äußerte. FDP-Generalsek­retärin Nicola Beer hat angeregt, außer über Selbstverp­flichtunge­n auch über eine gemeinsame Kontrolle zu reden. So könnten die Parteien etwa ein Journalist­enbüro beauftrage­n, Lügen im Netz aufzukläre­n. Oder ein gemeinsame­s Büro bilden, das Gegenmaßna­hmen einleitet, falls Fake News aufgetauch­t sind. Neben dem Thema Digitales soll nach FDP-Vorstellun­gen in einem Abkommen zudem die Verpflicht­ung stehen, auch im „realen“Leben miteinande­r fair umzugehen – keine Störaktion­en gegen Plakate oder Veranstalt­ungen der Konkurrenz, keine Beleidigun­gen. Grundsätzl­ich offen hat sich für ein Abkommen auch Linken-Parteichef Riexinger gezeigt, ebenfalls mit dem Hinweis, das sei keine Erfindung von Schulz, und man selbst habe schon lange den Verzicht auf social bots erklärt.

Die Alternativ­e für Deutschlan­d, AfD, ist in die Gesprächsb­emühungen bisher nicht einbezogen, doch heißt es von allen Generalsek­retären, dass das Abkommen, wenn es denn zustande käme, „natürlich allen Parteien offensteht“. AfD-Sprecher Christian Lüth erklärte jedoch bereits am Montag, man werde kein Abkommen mit den „Altparteie­n“eingehen. Die AfD sei selbstvers­tändlich gegen Hetze und Lügen und gehe nach Möglichkei­t auch dagegen vor.

 ?? FOTO: IMAGO ?? Auf Fake News – gefälschte Nachrichte­n in sozialen Medien – wollen die Parteien im Bundestags­wahlkampf verzichten.
FOTO: IMAGO Auf Fake News – gefälschte Nachrichte­n in sozialen Medien – wollen die Parteien im Bundestags­wahlkampf verzichten.

Newspapers in German

Newspapers from Germany