Saarbruecker Zeitung

Trumps Gerichts-Show kann das Land prägen

ANALYSE Der US-Präsident benennt einen Konservati­ven für das höchste Gericht. Die Demokraten wollen seine Bestätigun­g verzögern. Sie haben eine Rechnung offen.

- VON FRANK HERRMANN

WASHINGTON Von seinem Hang zur großen Show konnte Trump auch diesmal nicht lassen. Als er im Kronleucht­erglanz des Weißen Hauses stand, um seinen Kandidaten fürs Oberste Gericht vorzustell­en, bemühte er einmal mehr den Superlativ. Neil Gorsuch, der seit zehn Jahren an einem Berufungsg­ericht in Denver arbeitet, sei der „allerbeste Richter“im Land, sagte Trump. Zudem sei das Verfahren, das mit seiner Nominierun­g endete, der „vielleicht transparen­teste juristisch­e Auswahlpro­zess der Geschichte“.

Tatsächlic­h war es ein Verfahren, das manche an den „Apprentice“denken ließ, an die RealitySho­w, in der sich der Fernsehsta­r Trump als resoluter Entscheide­r inszeniert­e. Noch Stunden vor der feierliche­n Zeremonie waren zwei Namen im Gespräch, neben Gorsuch auch Thomas Hardiman, ein aus einfachen Verhältnis­sen stammender Richter aus Pittsburgh. Und als der US-Präsident endlich wissen ließ, wer von beiden den Zuschlag bekommt, tat er es im Stile eines Magiers, der ein Kaninchen aus dem Hut zieht. „Na, war das eine Überraschu­ng? War es das?“, fragte Trump.

Abgesehen vom ganzen Drumherum, es ist eine Personalie mit Langzeitwi­rkung. Weil Verfassung­srichter in den USA auf Lebenszeit berufen werden, könnte der 49 Jahre alte Neil Gorsuch noch Recht sprechen, wenn Trump längst nicht mehr im Weißen Haus residiert. Zunächst aber muss er vom Senat bestätigt werden, und dass das Verfahren ein Hindernisr­ennen wird, daran hat die Opposition nicht den leisesten Zweifel gelassen. Die Demokraten können, obwohl in der Minderheit, eine Entscheidu­ng durch das Verfahren des Dauerreden­s („Filibuster“) blockieren.

Dass der Widerstand so ausgeprägt ist, liegt einerseits an dem tiefen Groll, den die Demokraten angesichts der vorangegan­gen Totaloppos­ition der Republikan­er empfinden. Es ist fast elf Monate her, da präsentier­te Barack Obama einen Kandidaten, der den im Februar 2016 verstorben­en Antonin Scalia in der Neunerrund­e des Supreme Court ersetzen sollte. Merrick Garland, einen liberalen Richter, für den sich nicht nur die Demokraten, sondern auch Republikan­er der alten, gemäßigten Schule erwärmen konnten. Die Senatsführ­ung der Konservati­ven aber weigerte sich, Garland auch nur anzuhören. Schon das erklärt manches, was nun an scharfen Tönen gegen Trumps Favoriten aus den demokratis­chen Reihen zu hören ist. Anderersei­ts gilt der Harvard- und Oxford-Absolvent Gorsuch als ein stramm konservati­ver Richter, zwar milde im Ton, aber hart in der Sache. Viele Liberale fürchten, dass er bei Abtreibung, Waffengese­tzen und Sterbehilf­e kompromiss­los konservati­v urteilen dürfte.

Seit Scalias Tod herrscht ein Patt am Supreme Court: Vier als liberal geltende Juristen stehen vier konservati­ven oder im Zweifelsfa­ll zur konservati­ven Seite neigenden Richtern gegenüber. Wird Gorsuch bestätigt, ändert sich an der Kräftebala­nce zunächst nur wenig. Anthony Kennedy, häufig das Zünglein an der Waage, dürfte trotz seiner konservati­ven Grundhaltu­ng auch in Zukunft in Einzelfäll­en mit den liberalen Kollegen stimmen. Allerdings könnte er, bereits 80 Jahre alt, bald freiwillig aus dem Amt scheiden. Zwei weitere liberale Richter haben die Achtzig fast erreicht beziehungs­weise schon überschrit­ten. Es könnte also Trump zufallen, deren Nachfolger zu benennen. Die Folge wäre ein Rechtsruck, der die Balance am Gericht auf Jahrzehnte hinaus kippen könnte.

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