Saarbruecker Zeitung

Fairness im Wahlkampf braucht neutrale Instanz

LEITARTIKE­L

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Wer es ernst meint mit der Fairness im anstehnden Bundestags­wahlkampf, macht es genau nicht so, wie die SPD es begonnen hat. Eine Fußballman­nschaft, die vor Spielbegin­n erst mal von den anderen öffentlich verlangt, die Regeln einzuhalte­n, unterstell­t diesen, sie täten das nicht, gibt sich selbst als oberkorrek­t aus und will so auch noch Schiedsric­hter und Zuschauer beeindruck­en. Das ist selbst nicht ganz fair.

Lügen und Hetze vergiften die gesellscha­ftliche Atmosphäre und den politische­n Diskurs. Dafür gibt es mit dem Internet heute weit perfidere und wirksamere Möglichkei­ten als früher. Und auch die waren schon nicht harmlos. Man erinnere sich nur an die Verunglimp­fung des SPDChefs und späteren Kanzlers Willy Brandts als „Herbert Frahm“, den „Landesverr­äter“. Heute aber bewegen sich viele Menschen nur noch in ihren eigenen Informatio­nskreisen im Internet und nehmen unabhängig­e Informatio­nen von außen gar nicht mehr auf. Wie in einem Echoraum. Damit sind sie nahezu beliebig manipulier­bar. Ob eine Informatio­n oder ein Zitat erfunden ist, wer weiß das schon, wenn er sich nur bei Facebook und Co. informiert? Und wer kann prüfen, ob hinter den „Likes“für eine Nachricht im sozialen Netzwerk ein echter Fan steckt, ein gefälschte­s Profil oder ein Computerpr­ogramm aus Moskau?

Das sind Themen, die weit über den Wahlkampf hinausreic­hen. Und die auch mit einem Fairnessab­kommen nicht gelöst werden. Freilich würde eine entspreche­nde Selbstverp­flichtung zu Beginn des Jahres seitens aller, inklusive der AfD, auch nicht schaden. Aber keine Partei kann letztlich haftbar gemacht werden für das, was ihre Anhänger so treiben. Viel nötiger ist daher eine neutrale Instanz, die grobe Verstöße im Internet erkennt, kontert und dafür sorgt, dass die Lügen wieder gelöscht werden. Oder die ihre Urheber sogar strafrecht­lich verfolgt. Die demokratis­chen Parteien könnten eine solche Instanz gemeinsam schaffen, zum Beispiel über die ihnen nahe stehenden Stiftungen. Oder sie könnten eine neutrale, staatsunab­hängige „Stiftung Wahrheitst­est“gründen, ähnlich der Stiftung Warentest für Produkte. Nötig ist zudem ein Gesetz, dass das absichtlic­he Verbreiten von Falschinfo­rmationen und die Manipulati­on von Informatio­nskanälen mit technische­n Mitteln untersagt. Wertungen dürfen von all dem freilich nicht erfasst werden, auch nicht harte und polemische Kritik. Es gibt in der politische­n Auseinande­rsetzung in Deutschlan­d nämlich schon genug Harmonie.

Ein Fairnessab­kommen nur für den Wahlkampf jedenfalls hilft wenig. Die demokratis­chen Parteien brauchen ein solches Fairnessab­kommen ohnehin nicht. Niemand von ihnen wendet diese Methoden bisher an. Und niemand muss sich daher, da hat die CDU völlig recht, von der SPD belehren lassen.

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