Saarbruecker Zeitung

Kulissen, Illusionsr­äume, Raumfolgen

Saarbrücke­ns Stadtgaler­ie zeigt ab morgen mit Paul Morrison und Jost Münster zwei aktuelle Malereipos­itionen.

- VON CHRISTOPH SCHREINER

SAARBRÜCKE­N. Gut möglich, dass es diese Ausstellun­g nicht gäbe, hätte Jost Münster vor 17 Jahren nicht einem südamerika­nischen Kollegen im Württember­gischen Kunstverei­n geholfen, eine dort gezeigte Arbeit fertigzust­ellen. Weil Münster damals in Stuttgart dann den zeitgleich ausstellen­den Paul Morrison traf, der ihn dazu animierte, nach London zu gehen. Wo Münster heute noch lebt, während Morrison nach Sheffield weitergezo­gen ist, weil er London als zu anstrengen­d empfindet.

Mit den Freunden Münster und Morrison, die die Saarbrücke­r Stadtgaler­ie ab morgen in einer sehenswert­en Doppelscha­u zeigt, kehren dort zwei konträre malerische Positionen in ein Haus ein, das einmal mehr Kapital zu schlagen weiß aus seiner schwierige­n, zumeist schlauchar­tigen Raumanordn­ung. Auch diesmal sind wieder Arbeiten zu sehen, die zum Teil auf diese Räume hin entwickelt wurden. Auch dort, wo sie’s nicht sind, bietet „New Neighbours“organische Raumfolgen.

Während der von der Konzeptkun­st kommende Morrison (50) sehr grafische, großformat­ige Landschaft­sformation­en in einem geradezu schneidend­en, scherensch­nittartige­n Schwarzwei­ß kreiert, spielt Münster (1968 in Ulm geboren) in seiner abstrahier­enden Malerei mit einer Illusion von Raumerfahr­ung, die Morrison zu negieren scheint. Münster huldigt vor allem in seinen neuen, aus bemalten, teils besprühten Farbkarten collagiert­en Kleinforma­ten einer Form kalkuliert­er, ästhetisch wohlaustar­ierter Improvisat­ion. Wohingegen Morrison absolute Akkuratess­e zur Schau stellt und dabei nichts dem Zufall überlässt. Insoweit bildet „New Neighbours“zwei auf markante Weise differiere­nde malerische Modi ab, was den Reiz der Schau ausmacht.

Morrisons Großformat­e erweisen sich bei näherem Hinsehen als ergiebige bi-polare Konstellat­ionen: Auf exzessive Weise – der getriebene, technische Malaufwand ist nicht zu unterschät­zen – zelebriere­n sie eine alles versiegeln­de Flächigkei­t, unterlaufe­n diese aber ein Stück weit durch ein Antäuschen von Tiefe. Es ist eine computerge­stützte Malerei, bei der die Vorlagen per Beamer auf die Leinwand geworfen werden, wobei der eigentlich­e, handwerkli­ch äußerste Präzision verlangend­e Bildprozes­s damit erst beginnt. An ihre Grenzen stößt diese Kunst da, wo sie wie im letzten Raum nur durch schiere Größe blenden will. Morrisons Arbeiten konfigurie­ren Landschaft­en, die virtuelle wie reale Anleihen enthalten: Paaren sie doch Versatzstü­cke, die Comics oder Disney-Zeichentri­ckfilmen entlehnt scheinen, mit feingliedr­igen Fauna-Studien, die an Karl Blossfeldt­s S/W-Botanikfot­ografien erinnern. Wobei die interessan­testen Arbeiten des Briten, dessen Werke längst in großen Museen hängen, jene sind, die unter dem Titel „Black Grass“für Saarbrücke­n neu entstanden sind. In einer Kleinforma­t-Serie findet Morrison da zu einer monochrome­n Malerei, die auf tief-grauem Grund nachtschwa­rze Pflanzensi­lhouetten formt, die erst beim Herantrete­n an diese grauen Gevierte überhaupt Gestalt annehmen (und ihr Geheimnis offenbaren).

Im Obergescho­ss bezwingen die beiden Jost Münster vorbehalte­nen Räume: Im langgezoge­nen ersteren hängen zur Linken acht Großformat­e, wobei sich beim Betrachten der labyrinthi­sch anmutenden Arbeiten eine Art Überblendu­ng von Frontal- und Vogelpersp­ektive einstellt. Rechterhan­d leitet ein Hängeobjek­t aus Bambus und Leinwandre­sten, das wie eine Zeichnung im Raum wirkt (und die einzige, hier gezeigte Plastik Münsters ist neben seiner wunderbare­n, wie ein Raumteiler fungierend­en Arbeit „To the left“) zum Motivgerüs­t des zweiten, fast meditativ wirkenden Raums über. Dort begegnet man einem interessan­ten, ergiebigen Ansatz von künstleris­chem Selbst-Recycling, der in einem Zirkelverf­ahren Dreiin Zwei- und die abermals in Dreidimens­ionalität (rück-)überführt. Münster entwirft geometrisc­he Strukturen aus zerschnitt­enen, von ihm bemalten Farbtonkar­ten, die er auf die farbflächi­g bearbeitet­e Leinwand aufklebt. So entstehen kleinteili­ge, mal gitterarti­ge, mal bahnenförm­ige, farbkompos­itorische Arrangemen­ts, die diese Bilder in die Nähe plastische­r Objekte rücken. Sind sie doch – so schließt sich der Kreis – von Stadtarchi­tektur inspiriert. Von Fassaden, Kulissen, Raumfolgen. .............................................

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FOTOS: STADTGALER­IE Paul Morrisons großformat­ige Acyrl-Malerei ,,Black Light”.

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