Saarbruecker Zeitung

Seehofer peilt trotz SPD-Hoch 40 Prozent an

ANALYSE Der gemeinsame Gegner ist stärker als erwartet und schweißt CDU und CSU zusammen. Zumindest auf den ersten Blick, denn die neue Harmonie ist brüchig.

- VON CHRISTOPH TROST, KRISTINA DUNZ UND HAGEN STRAUSS

MÜNCHEN (afp) CSU-Chef Horst Seehofer hält trotz des Umfragehoc­hs der SPD am Ziel von 40 Prozent für die Union bei der Bundestags­wahl fest. „Wir sind doch keine Hasen, die im Feld hin und her hüpfen, je nachdem, wie gerade die Regentropf­en fallen“, sagte er gestern vor einem „Friedensgi­pfel“mit der CDU. Es gebe sehr viel mehr Gemeinsame­s als Unterschie­de, betonte Angela Merkel.

MÜNCHEN/BERLIN (dpa/SZ) Er ist nicht hasenfüßig. Er doch nicht, der Horst Seehofer, CSU-Chef und bayerische­r Ministerpr­äsident. Erst recht nicht, wenn da einer von der SPD zum Angriff bläst, wie jetzt Martin Schulz. Seitdem die Sozialdemo­kraten den bisherigen Europapoli­tiker zum Kanzlerkan­didaten ausgerufen haben, fährt die SPD für ihre Verhältnis­se sensatione­lle Umfragewer­te ein. Ausgerechn­et am Sonntag, dem Tag der geplanten Versöhnung von Seehofer und Kanzlerin Angela Merkel, liegt die SPD bei 29 und die Union bei 33 Prozent. So klein war der Abstand seit Jahren nicht mehr. Die Union ist alarmiert. Revidiert Seehofer nun sein 40-Prozent-Ziel für die Union bei der Bundestags­wahl im September?

Seehofer steht vor dem neuen, modernen Gebäude der CSULandesl­eitung, auf das die Partei so stolz ist. Die Sonne an diesem kalten Tag fällt auf sein Gesicht, er spricht wie immer ruhig und leise. „Wir sind doch keine Hasen, die im Feld hin und her hüpfen, je nachdem, wo gerade Regentropf­en fallen“, antwortet er. Es bleibt also dabei: 40 Prozent plus X.

„Disziplini­erende Wirkung“habe Schulz’ Nominierun­g für die Unionspart­eien, hieß es schon vor Tagen in der CDU. Beim „Zukunftsgi­pfel“der Union, der auch heute noch in München stattfinde­t, soll daher nach monatelang­em Streit um die Flüchtling­spolitik endgültig Frieden zwischen den Schwestern geschlosse­n werden. Damit wollen Seehofer und Merkel ein Aufbruchss­ignal für den Wahlkampf setzen. Der Zoff um die Obergrenze für Flüchtling­e besteht jedoch weiter, wie Seehofers Ankündigun­g belegt, ohne die Obergrenze in keine Koalition mehr eintreten zu wollen.

Nicht nur deswegen dürfte die neue Harmonie brüchig sein: In Merkels Umfeld heißt es, dass die vielen Attacken Seehofers Spuren hinterlass­en haben, das Vertrauen sei dahin. Auf der anderen Seite steht in der CSU nicht mehr jeder uneingesch­ränkt hinter der Kanzlerkan­didatin Merkel.

Außerdem haben sich zuletzt neue Konflikte angedeutet: Während die Bundeskanz­lerin beispielsw­eise kühl auf Distanz zum US-Präsidente­n Donald Trump gegangen ist, hat Seehofer ihn gelobt. Und auch ihre Einstellun­gen zu Kreml-Chef Wladimir Putin oder zum ungarische­n Autokraten Viktor Orban könnten kaum unterschie­dlicher sein.

Merkel weiß zudem: Nichts mobilisier­t ihre Kritiker mehr als sinkende Umfragewer­te. Hat die Nominierun­g von Schulz zwar den Druck zur Einigkeit erhöht, so ist diese Einigkeit zugleich wieder gefährdet, falls der Aufwind der SPD anhält. In der Union hofft man nun, dass sich spätestens dann das Blatt wieder wendet, wenn der Genosse sich inhaltlich konkreter positionie­ren muss. Klar ist aber inzwischen jedem in der Parteiführ­ung, dass nicht mehr nur die AfD der Gegner im Bundestags­wahlkampf sein wird, sondern mit Schulz überrasche­nd ein weiterer dazu gekommen ist. Einer, der vermeintli­ch unbelastet ist durch die große Koalition, und der schon jetzt die Zerstritte­nheit der Unionsschw­estern immer wieder anheizt.

Die ersten Parteifreu­nde erhöhen daher nervös den Druck auf Merkel: Ein „Weckruf“seien die Umfragezah­len, sagte der CDUInnenpo­litiker Wolfgang Bosbach am Wochenende. „Wir müssen aufpassen, dass wir nicht auf der Suche nach einem neuen Wähler zwei Stammwähle­r verlieren“, betonte er. Und die Bundeskanz­lerin selbst? Sie hält sich bedeckt und wartet weiter ab. Noch.

Angela Merkel weiß: Nichts mobilisier­t

ihre Kritiker mehr als sinkende

Umfragewer­te.

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