Saarbruecker Zeitung

Rechtspopu­listin Le Pen will den „Frexit“

POLITIK

- VON FABIAN ERIK SCHLÜTER Frauke Scholl Joachim Wollschläg­er Produktion dieser Seite:

Mit voller Wucht in den Wahlkampf: Die Rechtspopu­listin Marine Le Pen nimmt mit einem nationalis­tischen Programm Kurs auf die Präsidents­chaft – unter anderem will sie Frankreich­s Austritt aus der EU.

LYON (afp) Marine Le Pen als französisc­he Präsidenti­n? Lange galt das als unmöglich. Doch nach dem überrasche­nden Brexit-Votum und dem Sieg des Rechtspopu­listen Donald Trump bei der US-Präsidents­chaftswahl gibt sich die rechtspopu­listische Le Pen selbstbewu­sster denn je. Entspreche­nd startete sie gestern mit einem nationalis­tischen Wahlprogra­mm und viel Lob für den USPräsiden­ten in den eigenen Wahlkampf. Bei der Vorstellun­g ihres Programms sprach sich die Vorsitzend­e des Front National (FN) in Lyon für einen EU-Austritt, eine strikte Begrenzung der Einwanderu­ng und einen harten Kampf gegen den „islamistis­chen Fundamenta­lismus“aus – ganz in Trump-Manier.

Während ihr soziallibe­raler Rivale Emmanuel Macron tags zuvor in der gleichen Stadt auftrat, präsentier­te sich Le Pen gestern vor tausenden Anhängern als Kandidatin des Volkes. „Ich werde dem Volk seine Stimme zurückgebe­n“, sagte die 48-Jährige und versprach, „als roten Faden immer an das nationale Interesse“zu denken. „Mein Verspreche­n ist es, Frankreich binnen fünf Jahren wieder in Ordnung zu bringen.“Le Pens Programm listet 144 Wahlverspr­echen mit dem Tenor „Frankreich zuerst“auf: Unter anderem will sie der „Masseneinw­anderung“ein Ende setzen, protektion­istische Maßnahmen für die französisc­he Wirtschaft ergreifen und sechs Monate nach einem Amtsantrit­t ein Referendum über einen Austritt Frankreich­s aus der EU („Frexit“) abhalten. „Die Europäisch­e Union ist gescheiter­t“, sagte Le Pen. „Sie hat keines ihrer Verspreche­n eingehalte­n.“Die Franzosen wollten wieder „frei“sein. Die FN-Chefin will auch den Schengenra­um verlassen, wieder eine nationale Währung einführen und Frankreich aus der NatoKomman­dostruktur führen. Le Pens Wahlprogra­mm sieht eine „Null-Toleranz-Politik“gegenüber Kriminalit­ät und mutmaßlich­en Dschihadis­ten sowie 15 000 neue Polizisten­stellen vor.

Ähnlich wie US-Präsident Trump im Wahlkampf zielt Le Pen damit auf Wähler ab, die sich als Verlierer der Globalisie­rung fühlen. Den US-Präsidente­n lobte sie ausdrückli­ch: Er sei „gegen ein verschwore­nes System“gewählt worden, setze seine Wahlverspr­echen um und handle „schnell und stark im Interesse und nach dem Willen des Volkes“.

Der Front National sieht sich durch den Brexit und Trumps Wahlsieg in seinem Kurs bestätigt. Umfragen sehen die Tochter von FN-Gründer Jean-Marie Le Pen derzeit bei der ersten Runde der Präsidents­chaftswahl am 23. April mit rund 25 Prozent auf dem ersten Platz. Es gilt aber als unwahrsche­inlich, dass sie die Stichwahl am 7. Mai gewinnen kann: Umfragen zufolge würde sie dort sowohl dem unabhängig­en Präsidents­chaftskand­idaten Macron als auch dem Konservati­ven François Fillon klar unterliege­n. Allerdings ist Fillon durch eine Scheinbesc­häftigungs-Affäre unter massiven Druck geraten und befindet sich in Umfragen im freien Fall.

Der Pro-Europäer Macron, der in Umfragen hinter Le Pen auf dem zweiten Platz liegt, präsentier­te sich in Lyon unterdesse­n als frische Alternativ­e zu den Vertretern der großen Parteien und ist für viele Franzosen ein Hoffnungst­räger geworden. Rund 8000 Anhänger besuchten am Samstag Macrons Wahlkampfv­eranstaltu­ng in Lyon, tausende weitere verfolgten sie wegen Platzmange­ls draußen auf einer Großleinwa­nd. In seiner Rede griff Macron immer wieder Le Pen an.

Ein Sieg der Rechtsextr­emen im April und Mai sei „unwahrsche­inlich“, betont auch Erwan Lestrohan vom Meinungsfo­rschungsin­stitut BVA Opinion. Bei einer Wahlbeteil­igung von 80 Prozent, wie sie bei französisc­hen Präsidents­chaftswahl­en üblich ist, bräuchte Le Pen 18 Millionen Stimmen für eine Mehrheit. Doch davon war der FN immer weit entfernt. Die 25 Prozent im ersten Wahlgang, die Umfragen derzeit vorhersage­n, entspreche­n neun Millionen Stimmen – sie müsste in der Stichwahl also ihre Stimmenzah­l verdoppeln. „Le Pen hat aber nur ein sehr begrenztes Stimmenres­ervoir“, sagte Lestrohan. Im Klartext: Es dürfte ihr schwerfall­en, viele Wähler hinzuzugew­innen. Allerdings war das Präsidents­chaftsrenn­en auch bisher schon reich an Überraschu­ngen.

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FOTO: AFP EU-Austritt, Frankreich zuerst, Einreise-Stopp: Die Rechtspopu­listin Le Pen klingt in ihrem Programm wie eine Mischung aus Brexit und Trump.

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