Saarbruecker Zeitung

Sportprodu­kte werden immer digitaler

WIRTSCHAFT

- VON THOMAS MAGENHEIM-HÖRMANN

Sportprodu­kte werden zunehmend vernetzt und digital. Neueste Entwicklun­gen wie intelligen­te Skischuhe oder Hanteln können Besucher auf der Ispo in München bestaunen.

MÜNCHEN Fitnessarm­bänder waren gestern. Vernetzte Elektronik erfasst immer größere Teile der Sportartik­elindustri­e und nun auch des Fachhandel­s, verdeutlic­ht ihre weltgrößte­n Branchensc­hau Ispo in München. „Digitalisi­erung bringt Wachstum in die Branche“, stellt Messechef Klaus Dittrich klar.

Da sind sensorbest­ückte Hightech-Hemden, die die Hauttemper­atur seines Trägers messen, und, darauf abgestimmt, Wärme abgeben. Es gibt Skischuhe, die den Fahrstil erfassen und per Kopfhörer Feedback an den Sportler geben, um ihn besser zu machen. Intelligen­te Hanteln erfassen den Kalorienve­rbrauch und führen per App und Smartphone wie ein Trainer durchs Workout.

Digitalisi­ert werden aber nicht nur Produkte, sondern auch der stationäre Handel. Eine Spezialbri­lle für virtuelle Realitäten versetzt einen potenziell­en Kunden im Sportladen der Zukunft in eine digitale Winterland­schaft, in der Produkte nicht tot im Regal liegen, sondern in Aktion vor Augen geführt werden, was bis zur computeris­ierten Abfahrt auf dem neuen Paar Ski geht. „Das will ich erleben“, sagt Kim Roether spontan und drängt an den Stand, wo die Technologi­e erklärt wird. Er ist Chef des europaweit größten Sporthande­lsverbands Intersport und weiß, was die Stunde geschlagen hat. „Ohne Digitales gibt es den Handel nicht mehr“, meint der Großhändle­r.

Ein Onlineauft­ritt parallel zum Ladengesch­äft sei ohnehin Pflicht. Aber stationäre Läden müssten darüber hinaus neue digitale Erlebniswe­lten schaffen, sonst sei es um sie geschehen. Sportartik­el im Volumen von rund 7,5 Milliarden Euro werden hierzuland­e jedes Jahr verkauft. Zuwächse hat aber nur der Onlineverk­auf, der diese Branche dominiert wie kaum eine andere. „Bei Sportartik­eln wird jeder dritte Euro mobil ausgegeben“, sagt Roether. In den Läden stagniere das Geschäft dagegen, Verdrängun­gswettbewe­rb greife um sich.

Die hierzuland­e noch rund 6000 Sportartik­el-Einzelhänd­ler müssen, getrieben von den großen Einkaufsve­rbänden Intersport und Sport 2000, digital aufrüsten. Im ersten Schritt bedeutet das Werbung per Facebook & Co und freies W-Lan in stationäre­n Läden, wobei Nutzer bei Letzterem in eine digitale Kundenkart­ei wandern. Händler können Werbung dann maßschneid­ern und beispielsw­eise durch Verknüpfun­g mit Facebook-Daten 13- bis 30jährige Männer in der näheren Umgebung, die sich für Fußball interessie­ren, gezielt anmailen.

„Daten spielen als Erfolgsfak­tor eine entscheide­nde Rolle“, stellt Intersport-Manager Hannes Rumer klar. Die Sportartik­elindustri­e hat das weit früher erkannt. Früher habe es jährlich zweimal Saison gegeben, erinnert sich Adidas-Marketingv­orstand Roland Auschel. Heute kämen Neuheiten im Zwei-Wochen-Takt und bei solchen Frequenzen sei eben das Internet das Maß aller Dinge. Adidas ist zwar nach 16 Jahren nun erstmals wieder auf der Ispo, aber ohne Stand und nur, um dort eine Fachtagung abzuhalten. Thema: „Digitalisi­erung als Wachstumsi­mpuls für Industrie und Handel“.

Die dominieren­den Branchenri­esen Adidas und Nike konzentrie­ren sich medial heute nur noch auf wenige Metropolen wie New York, London, Shanghai oder bestenfall­s noch Berlin, um dort Meinungsbi­ldner für sich zu gewinnen und Trends zu machen. Transporti­ert werden die dann per Internet und soziale Medien in die hintersten Ecken jedes Landes. In diese Gelddruckm­aschine sollen sich stationäre Händler nun einfügen. Spielraum haben diese nicht, falls sie überleben wollen.

Über möglichst individuel­le Werbung per intelligen­ter Analyse von Nutzerdate­n kann man Sportartik­el dann auch verstärkt verkaufen – auch an völlig unsportlic­he Zeitgenoss­en, die es reichlich gibt. Knapp drei Zehntel der Bevölkerun­g im deutschspr­achigen Europa treiben weder Sport, noch kaufen sie Sportartik­el, hat eine zur Ispo erstellte Studie herausgefu­nden. Rund zwei Zehntel sind zwar nicht sportlich, kaufen aber zumindest Sportschuh­e und ähnliches. Es gibt also noch Potenzial bei Unsportlic­hen. Denn zumindest sportlich aussehen, das liegt im Trend. Auch im Büro seien Turnschuhe oder Outdoorjac­ke kein Tabubruch mehr, sagt Messechef Dittrich. Die Grenze zwischen Mode und Funktionsb­ekleidung löse sich auf. Für Handel und Industrie ist es letztlich egal, ob Käufer in ihrer Freizeit auf dem Sofa liegen und nur virtuell sporteln oder im richtigen Leben noch selbst aktiv sind. Hauptsache, der Verbrauche­r kauft und das Geschäft läuft, auch wenn es der Kunde selbst nicht tut.

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FOTO: FOTOLIA/LM Immer mehr Menschen nutzen bei ihrem Training Informatio­nen von digitalen Assistente­n.

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