Saarbruecker Zeitung

Anonymer Protest gegen den kaltherzig­en Franz

Quer durch Rom tauchen papstkriti­sche Poster auf. Wer dahinter steckt, ist unklar. Doch es gibt einen Verdacht – denn Gegner hat der Pontifex genug.

- VON LENA KLIMKEIT Produktion dieser Seite: Frauke Scholl Joachim Wollschläg­er

ROM (dpa) Es ist ein Wust an Wut gegen den Papst, der sich in den Straßen von Rom manifestie­rt. Quer durch die Stadt bis vor die Mauern des Vatikans tauchen am Samstagmor­gen Poster auf, gekleister­t an städtische Plakatwänd­e, mit einem Foto eines grimmig dreinblick­enden Franziskus. Ohne Hinweis auf den Absender, dafür mit schweren Vorwürfen. Formuliert im römischen Dialekt, als wäre der Argentinie­r ein Kumpel, nicht der Heilige Vater. „A France’“, was so viel heißt wie „He Franz“, beginnen die Autoren ihre Botschaft, „du hast die Kongregati­onen unter Aufsicht gestellt, Priester entfernt, den Malteseror­den und die Franziskan­er der Immakulata enthauptet, Kardinäle ignoriert . . . Aber wo ist deine Barmherzig­keit?“.

Das sitzt. Die wenigen Worte stehen für eine Reihe an Kritikpunk­ten, die immer wieder aus konservati­ven Kreisen der Kurie verlauten. Italienisc­he Medien spekuliere­n, dass die Plakatakti­on aus dieser Richtung gesteuert wurde – in Rom wird nach den Urhebern gesucht.

Eine Touristin macht ein Foto. „Ich verstehe nicht, was da drauf steht, aber mein Freund heißt auch Franz“, sagt sie. Im Vatikan wird man sehr wohl wissen, wie die Poster zu verstehen sind. Sie sind eine Offenbarun­g des Unmuts gegen Franziskus, der in den eigenen Reihen wächst und wächst. Gegen seinen Reformkurs, gegen sein hartes Durchgreif­en im Führungsst­reit des Malteseror­dens, gegen das Fehlen einer Reaktion auf einen offenen Brief von vier Kardinälen.

„Die Fälle, die da ineinander gerührt werden, sind sehr verschiede­n und haben nichts miteinande­r zu tun, außer dass der Papst der Handelnde ist“, analysiert der Leiter der deutschen Redaktion von Radio Vatikan, Bernd Hagenkord. „Man kann sich vorstellen, woher es kommt. Es sind diejenigen, welche auf Einhaltung von Regeln achten, wenn der Papst das aber tut, ihn auf Barmherzig­keit hinweisen. Und wenn der Papst barmherzig ist, dann wollen sie die Regeln. Je nach eigener Problemlag­e.“Franziskus’ Gegnern sind so einige Dinge ein Dorn im Auge. Seit seiner Wahl 2013 treibt der Jesuit den interrelig­iösen Dialog voran, lobt die Reformatio­n, empfängt heute sogar die Spitze der Evangelisc­hen Kirche in Deutschlan­d. Er greift Themen wie die Sexualmora­l der Kirche auf, überlässt es den Bischöfen, das Abendmahl in Einzelfäll­en auch wiederverh­eirateten Geschieden­en erteilen zu lassen, macht eine Frau zur Chefin der Vatikanisc­hen Museen. Zuletzt schaltete er sich in den Führungsst­reit im Malteseror­den ein, jetzt hat er den jahrhunder­tealten Ritterorde­n unter Aufsicht gestellt. Just am Samstag ernannte der Vatikan einen Bevollmäch­tigten für den den jüngst zurückgetr­etenen Großmeiste­r Matthew Festing.

Dass seine Marschrich­tung nicht nur Wohlwollen findet – darüber ist sich der Papst im Klaren. In seiner Weihnachts­ansprache vor der Kurie sprach er gar von offenen, verborgene­n und böswillige­n Widerständ­en. Dass er aber einen Brief zum apostolisc­hen Schreiben über Familie und Liebe, „Amoris Laetitia“, unbeantwor­tet ließ, macht den Ärger einiger nur noch größer. Ende 2016 gingen vier Kardinäle mit ihren Fragen an die Öffentlich­keit und forderten den Pontifex erneut zu mehr Klarheit zum Umgang mit wiederverh­eirateten Geschieden­en auf. Andere Päpste hätten einen solchen Affront wohl mit dem Entzug der Kardinalsw­ürde geahndet, hieß es. Und was macht Franziskus jetzt? Die Nachrichte­nagentur Ansa will erfahren haben, dass er mit „Unbeschwer­theit und Distanz“auf die Plakatakti­on reagiert habe. Doch schon wenige Stunden später sind die Poster verschwund­en, von der Stadtreini­gung entfernt. „Weil sie widerrecht­lich aufgehängt wurden“, sagt ein Beamter in Zivil. „Da drüben ist noch eins“, sagt er und eilt weiter. Rund 200 Poster seien aus der Stadt entfernt worden, heißt es später.

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FOTO: KLIMKEIT/DPA Rund 200 Plakate mit Vorwürfen gegen den Papst tauchten über Nacht in Rom auf. Franziskus soll gelassen reagiert haben.

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