Saarbruecker Zeitung

Königin über Nacht

Von einem Moment auf den anderen ist Elizabeth Königin. Heute jährt sich dieser Tag zum 65. Mal. Doch wie immer gibt es keine Feier.

- VON KATRIN PRIBYL

LONDON Am Tag, der Elizabeths Leben für immer verändern soll, wacht sie im Morgengrau­en in einem Baumhaus-Hotel am Fuße des Mount Kenia auf. Die 25-jährige Prinzessin und ihr Mann Philip beobachten voller Faszinatio­n, wie sich nur wenige Meter entfernt zwei Nashörner um das Wasserloch zanken. Zuvor haben die beiden bereits eine Herde Elefanten gesehen, Paviane, Warzenschw­eine und Antilopen. Kurz nach dem Frühstück aus Rührei mit Speck, es ist gegen zehn Uhr morgens am Mittwoch, dem 6. Februar, verabschie­det sich das Paar. Die Naturliebh­aberin und Hobbyfilme­rin Lilibet, wie sie nur genannt wird, ist so glücklich über das besondere Erlebnis, dass sie den Angestellt­en des „Treetops“verspricht: „Ich komme wieder.“

In Großbritan­nien ist zu diesem Zeitpunkt Premiermin­ister Winston Churchill bereits unterricht­et: König George VI ist tot. Elizabeth wurde über Nacht Königin. Keiner weiß den genauen Zeitpunkt, wann ihr Vater auf Schloss Sandringha­m im Schlaf verstarb. Der Kettenrauc­her litt an Lungenkreb­s, nur fünf Monate zuvor war ihm bereits der linke Lungenflüg­el entfernt worden. Doch Elizabeth weilt abgeschnit­ten von der Zivilisati­on. Sie und Philip wurden nur eine Woche zuvor vom König am Londoner Flughafen Heathrow verabschie­det. Schon da, als er zum Abschied winkend in der bitteren Kälte stand, schwach und müde.

Als das Paar an jenem Tag von der Safari in die Fischerslo­dge Sagana zurückkehr­t, hat der Buckingham-Palast bereits eine verschlüss­elte Nachricht an den britischen Gouverneur in Nairobi geschickt. Doch weil dieser verreist ist, kann niemand die Botschaft entschlüss­eln. Und so passiert es, dass Elizabeth als eine der letzten Personen vom Tod ihres Vaters erfährt. Denn erst als ein kenianisch­er Journalist ihren Sekretär informiert und der wiederum die Nachricht an Philip weitergibt, nimmt dieser seine Frau zu einem langen Spaziergan­g im Garten. Als sie zurückkomm­en, zeigt die Königin keinerlei Emotionen, wie Zeugen sich später erinnern, sondern kümmert sich sofort um die Formalität­en, schreibt Briefe und wählt ihren Rufnamen Elizabeth,

wirkte

er mit dem sie fortan als Monarchin angesproch­en werden sollte. Für Trauer um ihren geliebten Vater ist keine Zeit.

Zurück in London wird das junge Staatsober­haupt am Rollfeld von Churchill, dem Kabinett und einem trauernden Volk erwartet. Laut der mitreisend­en Cousine von Prinz Philip, Lady Pamela Mountbatte­n, sagt die Queen, als sie die großen schwarzen PalastKaro­ssen sieht, die sie abholen sollen: „Oh, sie haben die Leichenwag­en geschickt.“

Dabei galt es noch bei ihrer Geburt als äußerst unwahrsche­inlich, dass Elizabeth jemals Königin werden würde. Nach ihrem Vater und dessen Bruder stand sie lediglich an dritter Stelle in der Thronfolge. Doch dann dankte am 11. Dezember 1936 ihr Onkel, König Edward VIII, nach nur einem Jahr Herrschaft­szeit ab, um die bereits zweimal geschieden­e USAmerikan­erin Wallis Simpson heiraten zu können. Plötzlich war mit Elizabeths Vater Albert jener schüchtern­e Mann König Georg VI, der doch eigentlich gar kein König hatte sein sollen.

Heute jährt sich der Tag ihrer Inthronisi­erung zum 65. Mal. Sie ist damit die erste Monarchin in der britischen Geschichte, die auf eine solch lange Herrschaft­szeit zurückblic­ken kann. Zum Feiern ist ihr an diesem Tag jedoch nicht zumute. Sie zieht sich in der Regel zurück und verweist auf den traurigen Hintergrun­d: Es ist der Todestag ihres Vaters.

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FOTO: AFP Die Queen mit Saphir-Schmuck – ein Geschenk ihres Vaters.

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