Saarbruecker Zeitung

Alberne Attacken machen Schulz noch interessan­ter

LEITARTIKE­L

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Die Wahl von Frank-Walter Steinmeier zum neuen Staatsober­haupt dürfte die letzte große gemeinsame Aktion von Union und SPD in dieser Legislatur­periode gewesen sein. Und selbst dabei fiel es CDU und CSU schwer, die politische Contenance zu wahren. Kein Wunder. Das Unvermögen, keinen eigenen brauchbare­n Kandidaten aufgeboten zu haben, brach noch einmal schmerzlic­h auf. Viele Christdemo­kraten enthielten sich offenbar der Stimme. Und als wäre Steinmeier nicht schon genug, leuchtet mit Martin Schulz noch ein weiterer Stern am SPD-Himmel auf, der so ziemlich alle christdemo­kratischen und christsozi­alen Gewissheit­en in den Schatten stellt. Vor allem jene, dass die Union die geborene Kanzler(innen)-Partei ist. Die Konsequenz daraus lautet: Ab sofort ist Wahlkampf.

Dabei stürzt sich die Union seltsam kopflos in die Auseinande­rsetzung mit den Genossen. Bislang wirkt Schulz kaum durch Inhalte, sondern kraft seiner Person. Aktuelle Umfragen zeigen, dass die SPD dank Schulz sogar wieder spürbar im Lager der Nichtwähle­r mobilisier­en kann. Bei Sigmar Gabriel eine undenkbare Vorstellun­g. Merkels Truppen tun sich daher keine Gefallen, in eilends zusammenge­schusterte­n Papieren, die Person Schulz madig zu machen – bis hin zum vermeintli­chen Aufreger, der Mann habe in seiner Zeit als EU-Parlaments­präsident gerne gut gegessen. So was aber auch!

Wolfgang Schäuble war ebenfalls schlecht beraten, den Hoffnungst­räger der Genossen auf eine Stufe mit Donald Trump zu stellen. Solche dümmlichen Attacken dürften Schulz eher noch interessan­ter machen und die Sympathien für ihn weiter erhöhen. Die Frage ist, was die Union dabei eigentlich stärker umtreibt – Panik vor der Konkurrenz oder das Problem, endlich wieder inhaltlich klare Kante zeigen und die Unterschie­de zur SPD herausstel­len zu müssen?

Bislang konnte sich die Union hier nämlich getrost zurücklehn­en. Die Wahlerfolg­e von Angela Merkel gründeten vor allem darauf, sozialdemo­kratische Positionen etwa in der Arbeitsmar­ktoder Rentenpoli­tik kurzerhand zu den eigenen zu erklären und die SPD damit klein zu halten. Doch nun, da Merkels Stern sinkt und die Genossen nach einer gefühlten Ewigkeit wieder über eine kanzlertau­gliche Alternativ­e verfügen, hat sich die Strategie der politische­n Einschläfe­rung erledigt, ist es mit der berühmten Merkel-Raute nicht mehr getan.

Es braucht wieder programmat­ischen Zunder. In der Steuerpoli­tik zum Beispiel und natürlich im Sozialbere­ich. Seinen Ruf nach sozialer Gerechtigk­eit muss auch Schulz noch detaillier­t unterlegen. Und dann wüsste man gern auch noch genauer, mit wem er seine Konzepte politisch durchsetze­n will.

Dem Wahlkampf kann der Wettbewerb um die besten Ideen nur gut tun, Schmutzkam­pagnen gegen Personen tun es nicht. Vielleicht war die Bundesvers­ammlung am Wochenende dafür auch ein Weckruf.

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