Saarbruecker Zeitung

Bewegung gegenWindk­raft-Projekte wächst

SERIE WINDKRAFT Die Bürgerinit­iative Gegenwind läuft Sturm gegen den Bau von Windkrafta­nlagen im Saarland. SZ-Serie Teil 3

- VON LOTHAR WARSCHEID

SAARBRÜCKE­N Sie wollen keine Bürger zweiter Klasse sein. Jacob Fuhrmann und Christel Ehre sind eigentlich recht umgänglich­e Menschen. Doch beim Thema Windkraft können sie sich so richtig aufregen. „Die Politik hört uns nicht zu, aber wir wollen ernst genommen werden“, sagen beide. Ehre und Fuhrmann sind die Sprecher des Netzwerks Gegenwind Saarland, das sich im Herbst vergangene­n Jahres gegründet hat. Knapp 20 Bürgerinit­iativen (BI) im Land haben sich ihm inzwischen angeschlos­sen.

Die Bewegung gegen den weiteren Ausbau der Windkraft im Saarland „wächst mit jedem weiteren Windkraft-Projekt“, so ihre Erfahrung. Direkt betroffen von dem Ausbau seien bis zu 15 000 Menschen an der Saar. „Nimmt man noch die Freunde und Unterstütz­er dazu, kommen wir auf 30 000 Personen“, sagen sie.

Der pensionier­te Schulleite­r Fuhrmann und die Familienth­erapeutin Ehre hatten „bis vor wenigen Monaten noch eher Sympathien für den Einsatz der Windkraft“. „Uns war klar, dass bei der Stromprodu­ktion Ersatz benötigt wird, wenn die Atomkraftw­erke nach und nach abgeschalt­et werden sollen.“Doch als die beiden Wallerfang­er sahen, „wie im Saarland immer mehr und immer höhere Windkrafta­nlagen ohne Rücksicht auf Natur und Bevölkerun­g durchgeset­zt wurden, kamen die Fragezeich­en“. Danach „arbeiteten wir uns in die Materie ein und waren zunächst ungläubig überrascht von den offensicht­lichen Konstrukti­onsfehlern der so genannten Energiewen­de“, erzählt Fuhrmann.

Rasch haben beide erkennen müssen, „dass mit Windkraft die Energiewen­de nicht hinzubekom­men ist“. „Wenn kein Lüftchen weht, müssen doch wieder die Kohlekraft­werke ran“, erläutert Ehre. „Da Windkrafta­nlagen wetterabhä­ngig und somit nicht grundlastf­ähig sind, brauchen wir weiterhin den Strom aus Cattenom und von den Kohle- und GasKraftwe­rken, damit wir im Winter nicht frieren und im Dunkeln sitzen müssen.“

Die Sprecher des BI-Netzwerks fordern ein Innehalten der Politik, „um eine nüchterne Zwischenbi­lanz zu ziehen“. Mehr Windkraft mache nur Sinn, wenn eine Speicherte­chnologie zur Marktreife entwickelt worden sei, die den überschüss­igen Strom binde und ihn freigebe, wenn Flaute herrscht. Außerdem fordern sie, „dass wie in Bayern die H-10-Abstandsre­gelung eingeführt wird“. Diese besagt, dass die Nabenhöhe plus der Radius der Rotorblätt­er multiplizi­ert mit dem Faktor zehn den Abstand zur nächsten Wohnbebauu­ng definieren müsse. Zuletzt wurden im Saarland Windräder mit Nabenhöhen von fast 150 Metern genehmigt. Hinzu kommt ein Rotor-Radius von 63 Meter. Die Mühlen müssten nach dieser Formel rund 2200 Meter von den nächsten Häusern errichtet werden. Im Saarland liegen die Abstände derzeit offiziell zwischen 650 und 1000 Meter.

Fuhrmann und Ehre kennen viele Geschichte­n rund um die Folgen der Windkraft. Die Häuser würden ihren Wert verlieren, sobald entspreche­nde Pläne öffentlich würden. Manche Immobilien seien unverkäufl­ich. Am Tag nerve der Schattensc­hlag der Windräder, nachts sei es der Disko-Effekt, der dadurch entsteht, dass die roten Warnlichte­r an den Spitzen der Gondeln ununterbro­chen blinken, wissen sie zu berichten.

Was garnicht gehe sei, dass Umweltmini­ster Reinhold Jost (SPD) den Staatsfors­t zur industriel­len Nutzungszo­ne für Windkrafta­nlagen freigebe. „Ein Wald verliert durch sechs Windräder nicht nur sechs bis zehn Hektar Fläche, sondern in seiner Gesamtheit den Erholungsc­harakter, auf den gerade die Bevölkerun­g des urban und industriel­l geprägten Saarlandes angewiesen ist“, so Fuhrmann und Ehre. Er büße „auch einen Teil seines Ökosystems und seiner gewachsene­n Strukturen ein. Dies alles kann durch kleine Setzlinge, die teilweise in 40 Kilometer Entfernung angepflanz­t werde, nicht geheilt werden“. Was sich im Saarland inzwischen abspiele, „kann man als modernen Waldfrevel auf dem Rücken der Bevölkerun­g bezeichnen“, so die Sprecher des Aktionsbün­dnisses. Politisch will das BI-Netzwerk neutral sein. „Doch alle Parteien müssen sich an ihrer Haltung zur Windenergi­e messen lassen.“

Erste Erfolge können verschiede­ne Bürgerinit­iativen schon für sich verbuchen. Diese kleine Genugtuung hat zumindest Horst Siegwart, der seinerzeit die BI „Fröhner Wald – für Mensch und Natur“ins Leben gerufen hatte. Drei Jahre kämpften er und seine Mitstreite­r gegen Windräder in diesem Waldgebiet zwischen Riegelsber­g und Heusweiler. Kurz vor Weihnachte­n zog die dem Bergbau-Konzern RAG nahestehen­de Gesellscha­ft Montan-Wind ihren Genehmigun­gsantrag für die drei geplanten Anlagen zurück. Doch Siegwart will sich nicht gemütlich zurücklehn­en, sondern weitermach­en. „Ich weiß inzwischen so viel. Da kann man nicht einfach aufhören“, sagt er. Daher ist er auch in dem neuen Bürgerinit­iativen-Netzwerk vorne mit dabei. Außerdem traut er dem Burgfriede­n um den Fröhner Wald nicht. „Man muss ständig auf der Hut sein“, meint Siegwart.

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FOTO: BECKERBRED­EL Ein Plakat der Bürgerinit­iative Gegenwind, die sich gegen eine Windkrafta­nlage am Allenberg im Mandelbach­tal einsetzt.
 ?? FOTO: IRIS MAURER ?? Christel Ehre und Jacob Fuhrmann von der Bürgerinit­iative Gegenwind.
FOTO: IRIS MAURER Christel Ehre und Jacob Fuhrmann von der Bürgerinit­iative Gegenwind.

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