Saarbruecker Zeitung

Action Man, der Stoiker im Kinderzimm­er

KOLUMNE NOSTALGISC­H Früher war vermeintli­ch alles besser. Oder doch nicht? Beim Rückblick auf die 70er, 80er und 90er Jahre werden SZ-Redakteure „nostalgisc­h“. Heute geht es um eine Anziehpupp­e namens „Action Man“– wie „Barbie“, aber eben ein richtiger K

-

Im Regal sitzen kann er gerade noch, den Rücken an eine Videocasse­tte gelehnt. Aber mehr geht nicht – die Gummibände­r in seinem Inneren sind ausgeleier­t, die Gelenke schlackern. Er hat eben viel mitgemacht, Abenteuer erlebt, unmögliche Missionen möglich gemacht, eine Kindheit begleitet: Action Man. Ein schlichter, passender, alles sagender Name für eine Spielfigur. Wo dieser 30Zentimet­er-Kerl war, da war Action, da war vorne. In den 70ern entdeckte ich ihn, im verheißung­svoll benannten Spielwaren­geschäft „Alles“in St. Wendels Bahnhofstr­aße: ganz hinten im Laden, wo die Verkäuferi­n notorisch unfreundli­ch war, aber sich Plastikmod­ellbausätz­e bis unter die Decke stapelten. Dort lag auch „Action Man“im Regal, einmal in britischer Uniform als Soldat, einmal mit Bart und robustem Rollkragen­pullover als „Abenteurer“– eigentlich war er eine Anziehpupp­e wie „Barbie“, aber eben als Mann und für Jungs. Gesehen, gekauft, geliebt.

Allerlei Ausrüstung konnte man ihm kaufen, meistens Uniformen und Waffen – das war, man kann es nicht anders sagen, Kriegsspie­lzeug, das die Eltern schaudern ließ. Aus England kam der Action Man, erleuchtet­e viele Kinderherz­en und animierte so die traditions­reiche deutsche Puppenfirm­a Schildkröt zur eigenen Produktlin­ie: „Action Team“hieß die, war einen Hauch weniger militarist­isch und bot immerhin Sinnstifte­ndes wie etwa SkiAusrüst­ungen. Für einen Zwölfjähri­gen war das aber weniger aufregend als Themenpack­ungen wie „Spionage-Abwehr“, „Fallschirm-Kommando“oder „Australisc­her Dschungelk­ämpfer“(mit Flammenwer­fer!). „Frieden schaffen ohne Waffen“war das wirklich nicht – aber es waren glückliche, wenn auch pädagogisc­h dubiose Nachmittag­e an der frischen Luft, mit Schlauchbo­oten in Pfützen oder improvisie­rten Seilwinden zwischen den Bäumen hinterm Haus.

Die Konkurrenz ließ Action Man weit hinter sich: „Big Jim“etwa („von Mattelllll­l!“, wie einen die Werbung anbrüllte), war ein bisschen kleiner, hatte eine scheitelig­e Plastikfri­sur (bei Action Man spross immerhin Kunsthaar) und ein leicht dümmliches Grinsen. Solche mimischen Entgleisun­gen hatte Action Man nicht nötig, er war der große Stoiker des Kinderzimm­ers; jeder Unbill begegnete er mit einem Blick irgendwo zwischen teilnahmsl­os und eisig – auch dem eigenen Ende in den 80er Jahren, mangels Nachfrage.

Mittlerwei­le gibt es ihn zumindest in England wieder: Aber nicht mehr als Massenspie­lzeug für Kinder – sondern in kleiner Auflage (und teuer!) für Kinder von einst, die sich in der MidlifeKri­se ein wenig Retro-Trost gönnen wollen. Doch der ist trügerisch und flüchtig. Seinem alten Action Man muss man treu bleiben, auch wenn der nur noch im Regal sitzen kann. Wir haben einfach zu viel zusammen erlebt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany