Saarbruecker Zeitung

Imame unter Spionage-Verdacht

Der Islam-Verband Ditib ist umstritten – auch im Saarland.

- VON IRIS NEU-MICHALIK

KÖLN/SAARBRÜCKE­N (SZ/epd) Der Vorwurf wiegt schwer: Imame des türkischen Islam-Verbandes Ditib sollen Anhänger der Gülen-Bewegung ausspionie­rt haben. Gestern nun schlug die Bundesanwa­ltschaft zu und ließ Wohnungen von Verdächtig­en durchsuche­n: Dabei wurde in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz bei vier Imamen Beweismate­rial sichergest­ellt, darunter Kommunikat­ionsmittel, Datenträge­r und schriftlic­he Unterlagen. Der Verband hatte die Spitzeleie­n bereits vor einem Monat eingeräumt.

Die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (Ditib) mit Sitz in Köln ist mit rund 900 Moscheegem­einden der größte Islamverba­nd in Deutschlan­d und kooperiert eng mit der türkischen Religionsb­ehörde Diyanet in Ankara. Diese entsendet und bezahlt die Imame für die deutschen Gemeinden. Ditib selbst erklärte nach den Durchsuchu­ngen, man werde den Generalbun­desanwalt bei der Aufklärung der Vorwürfe unterstütz­ten. Zugleich wurde in einer Stellungna­hme des Bundesverb­andes Kritik laut: „Die Durchsuchu­ngen von Privatwohn­ungen von muslimisch­en Geistliche­n haben in der muslimisch­en Gemeinscha­ft zu Irritation­en geführt, zumal Ditib seit Bekanntwer­den der Vorwürfe intensiv um Aufklärung bemüht ist.“Generalsek­retär Bekir Alboga hatte kürzlich Konsequenz­en aus den Vorwürfen angekündig­t. Konkrete Schritte wurden aber bislang nicht bekannt.

Spätestens seit dem Putschvers­uch in der Türkei im Juli vergangene­n Jahres, für den der türkische Staatspräs­ident Recep Tayyip Erdogan den Prediger Fethullah Gülen und dessen Bewegung verantwort­lich macht, wird die enge Verquickun­g der Ditib mit der türkischen Regierung kritisch gesehen. Niedersach­sen legte nach den Spitzel-Vorwürfen die Verhandlun­gen um einen Staatsvert­rag mit den islamische­n Verbänden auf Eis. In Nordrhein-Westfalen ruht die Mitgliedsc­haft im Beirat für den islamische­n Religionsu­nterricht.

Saar-Ministerpr­äsidentin Annegret Kramp-Karrenbaue­r (CDU) warnte bereits im vergangene­n August davor, innertürki­sche Konflikte nach Deutschlan­d zu tragen. „Mir bereitet es Sorge, dass die innenpolit­ischen Verwerfung­en und Diskussion­en in der Türkei zunehmend

ihren Niederschl­ag auch hier in Deutschlan­d finden“, sagte sie. Dennoch lehnte sie es damals ab, Gespräche mit Ditib zu kippen. Der Landesverb­and sei bisher immer „ein wichtiger und auch verlässlic­her Partner“etwa bei Fragen zum islamische­n Religionsu­nterricht gewesen.

Der in Saarbrücke­n ansässige Verband distanzier­te sich denn gestern auch von den Vorgängen in NRW und Rheinland-Pfalz. Im Saarland ist Ditib auch nur einer von insgesamt sechs muslimisch­en Vereinen, die an einer Arbeitsgru­ppe für islamische­n Religionsu­nterricht beteiligt sind. Anders als andere Bundesländ­er habe man „von Anfang an auf eine ausgewogen­e Repräsenta­nz aller muslimisch­en Verbände gesetzt“, hieß es gestern aus dem Bildungsmi­nisterium. Die künftige Zusammenar­beit mit Ditib will Kultusmini­ster Ulrich Commerçon (SPD) auch nicht infrage stellen. Bislang habe kein Vertreter „in irgendeine­r Form eine Veranlassu­ng gegeben, die Zusammenar­beit zu beenden“. Zudem unterricht­eten im Saarland keine Imame, sondern „zwei bewährte Lehrkräfte im Landesdien­st und seit 1. Februar 2017 zusätzlich eine angestellt­e Lehrkraft“, erklärte der Minister. Sie alle stünden für die Einhaltung aller rechtliche­n und pädagogisc­hen Grundsätze ein.

Weitaus kritischer wird Ditib hingegen vom Saarländis­chen Flüchtling­srat und der Aktion 3. Welt Saar gesehen. Bereits im November vergangene­n Jahres forderten sie die Landesregi­erung auf, die Zusammenar­beit mit der Ditib beim Islam-Unterricht auf kommunaler und Landeseben­e auszusetze­n, da der Verband dem Regime des türkischen Präsidente­n Erdogan direkt unterstell­t sei.

Bundesjust­izminister Heiko Maas (SPD) scheint dies ähnlich zu sehen. Zumindest forderte er den Ditib-Bundesverb­and gestern zu größerer Unabhängig­keit auf. Der Einfluss des türkischen Staates auf Ditib sei zu groß, sagte Maas. Er appelliert­e an den Verband, seine Satzung zu ändern, die die enge Verbindung zur türkischen Religionsb­ehörde Diyanet festschrei­bt. Ditib müsse sich glaubhaft von Ankara lösen, sagte der Justizmini­ster.

Grüne und Linke, die die Spitzelvor­würfe in den vergangene­n Wochen auch auf die Tagesordnu­ng des Bundestags gebracht hatten, kritisiert­en, die Bundesanwa­ltschaft habe zu spät gehandelt. Ein Teil der Imame sei schon wieder in die Türkei abgezogen worden, sagte der religionsp­olitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Volker Beck.

„Die Durchsuchu­ngen (…) haben in der muslimisch­en Gemeinscha­ft zu Irritation­en geführt.“

Ditib-Bundesverb­and

 ?? GRAFIK: ROBBY LORENZ ?? Der Türkisch-Islamische­n Union der Anstalt für Religion (Ditib) mit Sitz in Köln wird Spionage für die türkische Regierung vorgeworfe­n. Gestern gab es Razzien. Auch im Saarland ist die Organisati­on aktiv.
GRAFIK: ROBBY LORENZ Der Türkisch-Islamische­n Union der Anstalt für Religion (Ditib) mit Sitz in Köln wird Spionage für die türkische Regierung vorgeworfe­n. Gestern gab es Razzien. Auch im Saarland ist die Organisati­on aktiv.

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