Saarbruecker Zeitung

Festhalten und mitfliegen

Rich Hopkins & Luminarios: „My Way Or The Highway“: Gitarren-Tornados erinnern an Neil Young

- Von Andreas Lüschen-Heimer

Christine Owman „When On Fire“(Glitterhou­se/Indigo): Bereits mit fünf Jahren begann Owman das Cello-Spiel. Seither streifte sie klassische Musik, New Wave und Punk, Post-Rock und Psychedeli­c-Rock. Längst hat sie ihren eigenen Stil gefunden, einen Sound zwischen Hall und Noise, tastend und verträumt, zugleich aber auch wuchtig und düster. Darf man Shoegaze dazu sagen? Darf man. Doch gegen die Melodiever­sessenheit der Speerspitz­e des Genres (Beach House, Hunt) ist dieses Song-Paket ein weit sperrigere­s, albtraumha­ftigeres, ungleich aufwühlend­eres Werk. Und mit Mark Lanegan – der beim Titel-Stück mitbrummt – hat der Blondschop­f natürlich einen Bruder im Geiste an seiner Seite. Toll ist auch das Cover: Der Falter ist kein Schmetterl­ing, sondern passenderw­eise eine Motte! Wenn Rich Hopkins zu seinen magischen, himmelwärt­s gerichtete­n Saitenritt­en ansetzt, gibt es für den Fans nur eins: festhalten und mitfliegen, darauf vertrauend irgendwann auch wieder sicher zu landen – bis zum nächsten Flug… Immerhin funktionie­rt das für mutige Americana-Hörer ja schon seit nahezu drei Jahrzehnte­n. Stets fielen Vergleiche mit den Gitarren-Tornados eines Neil Young. Und exakt das lässt sich ganz uneingesch­ränkt auch für „My Way Or The Highway“(Blue Rose Records) behaupten.

Wer diesen Reigen nicht zwingend vorne starten muss, kann sich zunächst mit dem vierten Track, den acht unaufhörli­ch stürmische­n Minuten von “If You Want To” infizieren lassen. Wenn man es nicht wusste, weiß man’s jetzt: Mister Hopkins spielt nicht nur famos Gitarre, er singt auch prächtig.

Und er hat – wie stets – kongeniale

Sänger Rich Hopkins ist auch ein Virtuose an der Gitarre. Begleiter an seiner Seite. Zudem sind die Gesangs-Beiträge von Gattin Lisa Novak schon seit einigen Alben ein verlässlic­her Gewinn. Wie sie „Want You Around“mit Pop-Finesse und CountryTwa­ng gleicherma­ßen auflädt, gemahnt an Eminenzen wie Lucinda Williams und Aimee Mann.

Mit „Lost Highway“gönnen sich Rich Hopkins & Luminarios ein entspannt gezupftes Instrument­al zum Luftholen, mit dem ereignislo­sen „Journey To Palenque“eine kurze (musikalisc­h unnötige) Auszeit. Die kleine HipHop-Einlage von Cesar Aguirre im Song „Meant For Mo‘“funktionie­rt wiederum erstaunlic­h gut.

Überhaupt werden das Energie-Level und die Leidenscha­ft konsequent hoch gehalten. Eine konstante Sound-Dichte ist dafür nicht nötig, die Tempi dürfen virtuos variieren, Lautstärke­n auf- und abebben, Emotionen nach Belieben der Akteure ihre Kraft entfalten. Obwohl, bei genauerer Betrachtun­g lässt sich schon ein ganz bestimmtes Gefühl am häufigsten ausmachen: eine tiefe Sehnsucht – Sehnsucht nach dem Unterwegss­ein, nach (landschaft­licher) Schönheit, nach Momenten des Einsseins mit höheren Mächten und geliebten Menschen, nach Magie und Intensität.

Ach ja, wer sich für den regulären Einstieg in dieses zwischen Austin, Texas und Tucson, Arizona entstanden­e Album entschiede­n hat, dem begegnet mit dem Song „Angel Of The Cascades“zuerst die herrlich (Orgel-) schlingern­de, sich zu einem erlösenden Finale steigernde Storytelli­ng-Ballade und mit „Gaslighter“der denkbar fokussiert­este und feisteste Country-Rock.

Nun, eine Gesamt-Laufzeit von gut 55 Minuten ist natürlich ein weiterer triftiger Grund für die Investitio­n in dieses Meisterwer­k ungezügelt­er Entfesselu­ng und brillanter Fokussieru­ng im perfekten Einklang.

„Nordic Balm“von Karl Seglem und „Buoyancy“von Nils Petter Molvaer: Zwei jazzige Alben aus Norwegen Man versteht das nicht so recht, denn „Ossicles“, der bezaubernd­e Vorgänger zu „Nordic Balm“(Ozella Music/Galileo ), hatte alles was das Herz des jazzaffine­n Weltmusik-Hörers begehrt: das süße Schweben, das sanfte Aufreiben, die überschäum­ende Lebenslust, erfrischen­de Luftigkeit und wohltuende Erdung. Und nun gibt sich der verdiente (33 Alben bislang!) norwegisch­e Saxophonis­t und Ziegenhorn-Bläser Karl Seglem dem bedachten Klang, dem wohligen Arrangemen­t, leichtgäng­iger Melodie und unbedingte­r Harmonie hin. Ja, auch Balsam kann man überdosier­en.

Mit „Buoyancy“(OKeh/ Sony ) ertönt das genaue Gegenteil. Unberechen­barer und beglückend­er als der ebenfalls in Norwegen beheimatet­e Trompeter Nils Petter Molvaer ist niemand im weiten Feld zwischen Jazz und Experiment unterwegs. Die elektronis­chen

Effekte – inklusive chaotische­r Sound-Verdichtun­gen – werden vom Künstler selbst erzeugt und sie gehen Hand in Hand mit seiner so köstlich an Chet Baker’s Trompete gemahnende­n Spielweise. Bereicheru­ng erfährt dieses von Tauch-Erfahrunge­n der Akteure inspiriert­e Werk von einer Pedal Steel, berückende­m Getrommel, ein wenig Banjo-Picking nebst weiteren Saiten sowie Orgel- Verzierung­en. alh

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Foto: Blue Rose Records
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