Saarbruecker Zeitung

Zuhause in der Indie-Welt

Stimmgewal­tige Frauen: Die neuen Alben von Rebbeka Karijord und Jesca Hoop bewegen sich zwischen Pop und Rock

- Von Kai Florian Becker

Rebbeka Karijord und Jesca Hoop sind zwar nicht jedem ein Begriff, aber zwei interessan­te Indie-Künstlerin­nen, wie ihre aktuellen Alben deutlich machen.

Teile ihres neuen Albums „Mother Tongue“(Control Freak Kitten/Cargo ) schrieb Karijord unter den Eindrücken der komplizier­ten Geburt ihrer Tochter. Die kam drei Monate zu früh zur Welt. Diese für die junge Mutter traumatisi­erende Erfahrung und die Schwangers­chaft verarbeite­t die Norwegerin auf „Mother Tongue“. Während der zwei Monate im Krankenhau­s, die die Familie dort verbringen musste, hatte sie oft ihr Baby auf dem Arm und sang ihm Lieder vor. Außerdem notierte sie sich zig Texte und Textfragme­nte. Danach entstand in Stockholm, Oslo und Hawaii dieses spannende Album, auf dem Indiepop auf Klassik und Electro trifft. Einerseits singt Karijord sehr zurückgeno­mmen, anderersei­ts prescht sie mit ihrer Stimme nach vorne und erinnert an Natasha Khan (Bat For Lashes). Das Titelstück, „Morula“, „Waimanalo“und „I Will Follow You Into The Wild“sind laut eigener Aussage von ihrem Aufenthalt auf Hawaii inspiriert. In „I Will Follow...“ist sogar eine hawaiianis­che Heilige zu hören. Sie singt nicht, sondern betet trancehaft wie eine Indianerin. Karijord experiment­iert sowieso viel mit Klängen. Neben der Harfe, die unter anderem in „Waimanalo“ertönt, benutzte sie ein ganz spezielles Klavier, dessen Töne sie mit analogen Delay-Geräten derart verfremdet­e, dass es den Sound eines uralten Synthesize­rs kopierte. Statt auf gängige elektronis­che Instrument­e zurückzugr­eifen hat sie generell „akustische Instrument­e wie elektronis­che Elemente eingesetzt“, erklärt sie.

Nun zu der erfahrenen SingerSong­writerin Jesca Hoop. Nachdem diese im letzten Jahr mit Sam Beam alias Iron & Wine das gemeinsame Duett-Album „Love Letter For Fire“veröffentl­icht und sowieso schon oft mit anderen Künstlern kooperiert hatte, tritt sie auf „Memories Are Now“(Sub Pop/Cargo ) solo an. Ganz alleine war sie im Studio allerdings nicht. Alabama Shakes-Produzent Blake Mills unterstütz­e sie an diversen Instrument­en.

Hoops spartanisc­h arrangiert­e Songs sind im Indierock und -folk verortet und verzichten – anders als bei Karijord – auf „elektronis­che Elemente“. Langweilig sind sie aber nicht: siehe den Mantra-mäßigen Titelsong, „Simon Says“, einen Folkrocker mit verzerrter E-Gitarre, die PJ Harvey-Analogie „Cut Connection“, in der Fiona Apple die Harmonika spielt, oder die Akustikbal­lade „Songs Of Old“. Dass Hoop eine charismati­sche und einnehmend­e Stimme hat, ist gerade im letztgenan­nten Song zu vernehmen. Hier schraubt sich ihre Stimme in höchste Höhen.

Die Schwedin Nicole Sabouné greift in ihrem neuen Album „Miman“auf New Wave und Gothic-Elemente zurück Das Auge hört mit. So war es zuletzt zumindest bei der schwedisch­en SingerSong­writerin Nicole Sabouné der Fall. Deren Promofotos haben etwas derart mystisch-düsteres, da lag es auf der Hand, umgehend in ihr neues Album „Miman“(Century Media/Universal) reinzuhöre­n. Wobei neu relativ ist, denn es erschien in Skandinavi­en bereits vor zwei Jahren, wurde aber erst jetzt für den hiesigen Markt lizenziert. Besser spät, denn nie. Sonst hätten Fans von Fever Ray, Zola Jesus und PJ Harvey etwas verpasst.

Sabouné hat im Vergleich zu ihrem Postpunk-Debüt „Must Exit“(2014) die „Miman“-Lieder zusätzlich mit New Wave- und Gothic-Einflüssen angereiche­rt und damit ein sehr dichtes, düsteres Werk produziert.

Inspiriert wurde sie dazu von dem Versepos „Aniara“, das der Literaturn­obelpreist­räger Harry Martinsons 1956 veröffentl­ichte. Darin ist Miman ein Computer, der die Gedanken der Menschen empfängt, die an Bord eines Raumschiff­s von der Erde zum Mars reisen wollen, aber vom Kurs abkommen. Aus ihren Gedanken produziert Miman Bilder, um die Menschen zu unterhalte­n. Genauso mystisch, dramatisch und intensiv ist auch Sabounés „Miman“. An dessen Ende steht das MadonnaCov­er „Frozen“, das die experiment­ierfreudig­e Schwedin in ein GothicWave/Rock-Faszinosum verwandelt hat. Den Namen Sabouné sollte man sich merken. kfb

Sacred Paws „Strike A Match“(Rock Action/PIAS/Rough Trade):

Sich diese zehn Songs teilnahmsl­os anzuhören, das fällt schwer. Was Rachel Aggs (Gesang, Gitarre) und Eilidh Rodgers (Schlagzeug) auf ihrem Debütalbum feilbieten, ist hibbelig, verspielt und nicht zuletzt ansteckend. Eine All-Girl-Version des Alt-J/Vampire Weekend-Klangkosmo­s mit Trompete, Posaune und Saxophon, könnte man auch sagen. Die Songs entstanden über die Distanz von über 650 Kilometern. Denn Aggs lebt in London und Rodgers in Glasgow. Alle paar Monate trafen sie sich und warfen ihre Ideen in einen Topf. Die Begeisteru­ng beim Wiedersehe­n spiegelt sich in den quirligen und bisweilen abenteuerl­ichen Liedern wie etwa „Stars“wieder, die gleicherma­ßen Indiepop und Postpunk zitieren.

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