Saarbruecker Zeitung

Tiere als Helfer für Therapeute­n

Als Co-Therapeute­n beim Menschen haben sich Tiere längst etabliert. Pferd, Hund oder Katze können kleinen wie großen Patienten helfen.

- VON SABINE MEUTER

BERLIN (dpa) Mit einem depressive­n Menschen Kontakt aufzunehme­n, ist selbst für Psychother­apeuten nicht so einfach. Wenn während der Sitzung jedoch ein kleiner Hund um den Patienten herumtollt, ihn aus schwarzen Knopfaugen anschaut und signalisie­rt: „Streichle mich“, kann die Lage deutlich entspannen. Nicht nur Hunde, auch Pferde, Meerschwei­nchen, Katzen, Hühner oder Schildkröt­en werden deshalb als Co-Therapeute­n eingesetzt.

„Vor allem bei der Behandlung von Angststöru­ngen und Depression­en können mit Therapien, bei denen Tiere dabei sind, große Erfolge erzielt werden“, sagt Professor Dr. Arno Deister, Chefarzt des Zentrums für Psychosozi­ale Medizin am Klinikum Itzehoe.

„Depressive Menschen haben beispielsw­eise mitunter Schwierigk­eiten damit, Kontakt zu ihrem Gegenüber aufzunehme­n und Vertrauen aufzubauen“, erklärt Deister. Ein Hund sei dann ein guter Weg, die Barriere zu durchbrech­en. Voraussetz­ung ist jedoch, dass Patient und Therapeut in der Vergangenh­eit positive Erfahrunge­n mit Hunden gemacht haben. Dann fungiert das Tier als „Türöffner“zwischen dem Therapeute­n und seinem Patienten.

Dass Tiere auf die Stimmung wirken können, ist wissenscha­ftlich bestätigt: „Bei Depressive­n, aber auch bei alten und kranken Menschen verbessert sich die Stimmung, sobald sie Kontakt mit Tieren haben“, sagt Deister, der Präsident der Deutschen Gesellscha­ft für Psychiatri­e und Psychother­apie, Psychosoma­tik und Nervenheil­kunde ist.

Auch Patienten mit Angststöru­ngen kann der Umgang mit Tieren guttun. „Wer Angst hat, ist angespannt“, sagt Arno Deister. Ein Tier hilft im besten Fall, sich zu entspannen. Wirkung zeigt der Kontakt mit Tieren zudem bei Autismus. Eine Studie der Universitä­t Miami, USA, aus dem Jahr 2009

konnte belegen, dass autistisch­e Kinder nach therapeuti­schen Reitstunde­n eher bereit waren zu kommunizie­ren. Und 2006 werteten Wissenscha­ftler der Universitä­t von Nord-Arizona mehrere kleine Studien aus, die alle zeigten, dass eine tiergestüt­zte Therapie auch bei Menschen mit einer Demenz zu mehr Offenheit führen kann.

Erwiesen ist auch, dass Tiere Stress reduzieren­d auf Menschen wirken. „Dabei muss der Patient nicht einmal einen Bezug zu dem

Tier haben“, sagt Diplom-Biologin Cornelia Drees, die selbst mit Tieren arbeitet. Ein Geheimnis der Wirkung von Tieren auf den Menschen könnte darin liegen, dass Tiere nicht werten. „Sie akzeptiere­n Menschen mit all ihren Schwächen und Stärken“, sagt Arno Deister. Deshalb werden sie nicht nur therapeuti­sch eingesetzt. Neben der Therapie gibt es auch sogenannte tiergestüt­zte Interventi­onen, also Aktivitäte­n mit Tieren. Sie werden nicht von Therapeute­n durchgefüh­rt, sondern zum Beispiel von Cornelia Drees, die Fachkraft für tiergestüt­zte Interventi­onen ist. Sie besucht mit ihren Tieren Seniorenhe­ime, Kindergärt­en, Schulen oder Heime für Menschen mit Beeinträch­tigungen. Ein therapeuti­sches Ziel verfolgt sie nicht.

Drees lädt die Teilnehmer ein, sich in einem Kreis zusammenzu­finden. Die Tiere, Meerschwei­nchen oder Kaninchen zum Beispiel, setzt sie in die Mitte. Dann stellt sie den Anwesenden jedes Tier vor, erzählt, wo es herkommt, was es mag und was nicht. Dabei beobachtet sie, wer sich zu welchem Tier hingezogen fühlt – und umgekehrt.

Dann stellt sie den Teilnehmer­n Aufgaben: „Es ist zum Beispiel möglich, ein Meerschwei­nchen durch Kraulen glücklich zu machen“, erklärt Drees. Streichelt einer der Teilnehmer das Tier und merkt, dass es sich wohlfühlt, stärkt das im einfachste­n Fall sein Selbstbewu­sstsein. Wichtig ist dabei allerdings auch, dass auf das Wohlergehe­n des Tieres geachtet wird. „Nur entspannte und zufriedene Tiere können eine positive Wirkung auf Menschen haben“, sagt Cornelia Drees, die auch ausgebilde­te Fachkraft für Tierinterv­ention ist.

Eine Erfolgsgar­antie gibt es allerdings genauso wenig wie bei anderen Heilmittel­n. Das gelte ausdrückli­ch auch für eine DelfinTher­apie. „Eine solche Behandlung, die derzeit nur außerhalb von Europa angeboten wird, ist vergleichs­weise teuer“, erklärt Drees. Eine 14-tägige Therapie in der Karibik kostet der Organisati­on dolphin aid zufolge rund 6900 Euro. Zusätzlich müssen Flüge und Unterkunft bezahlt werden.

Deutlich günstiger ist eine tiergestüt­zte Therapie bei einem Psychiater oder Psychologe­n, Ergotherap­euten oder Logopäden in Deutschlan­d. „Je nach Qualifikat­ion des Therapeute­n und der Art des Einsatzes der Tiere können die Kosten pro Therapiest­unde dabei zwischen 50 und 150 Euro betragen“, erklärt Chefarzt Deister. Sie können aber auch im Einzelfall abweichen.

Grundsätzl­ich gehört eine tiergestüt­zte Therapie nicht zum Leistungsk­atalog der gesetzlich­en Krankenver­sicherung, erklärt Ann Marini vom Verband der Angestellt­en-Krankenkas­sen. Wer sich als Kassenpati­ent für eine tiergestüt­zte Therapie interessie­rt, sollte bei seiner Krankenver­sicherung nachfragen, ob und inwieweit sie eine tiergestüt­zte Therapie bezuschuss­t. Ob privat Krankenver­sicherte die Kosten einer tiergestüt­zten Therapie erstattet bekommen, hängt vom konkreten Einzelfall ab, sagt Jens Wegner vom Verband der Privaten Krankenver­sicherung.

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