Saarbruecker Zeitung

Toscanis Angebot irritiert fast alle

Der Finanzmini­ster sagt, die Rechenhilf­e seiner Mitarbeite­r stehe auch anderen Parteien offen. Wirklich? Ausgerechn­et die NPD testet es nun aus.

- VON UTE KIRCH, WERNER KOLHOFF UND DANIEL KIRCH

SAARBRÜCKE­N Als die SZ vor einiger Zeit ein Interview mit der CDULandesv­orsitzende­n Annegret Kramp-Karrenbaue­r führen wollte, bat die Regierungs­chefin in die CDU-Zentrale, nicht in die Staatskanz­lei. Es ging um Partei-Angelegenh­eiten, das sollte nicht vermischt werden. Diese Überlegung spielte wohl keine Rolle, als Kramp-Karrenbaue­r ihren Finanzmini­ster Stephan Toscani (CDU) vor einigen Wochen bat, mehrere Vorhaben aus dem CDU-Wahlprogra­mm durchrechn­en zu lassen.

Beteiligt an der Aktion, die vier Stunden gedauert haben soll, waren Toscani selbst, sein Staatssekr­etär Axel Spies (CDU), sein Büroleiter Jörg Kohl (CDU) und der Leiter der Haushaltsa­bteilung, Wolfgang Förster. Letzterer hat ein SPD-Parteibuch, er ist einer der Architekte­n des Kompromiss­es beim Bund-Länder-Finanzausg­leich.

Ungewöhnli­ch an der ganzen Sache war: Kramp-Karrenbaue­r machte die Rechenhilf­e von sich aus publik, um ihre These zu untermauer­n, dass die CDU-Pläne seriös und finanzierb­ar sind. Das fällt ihr und Toscani nun auf die Füße. Der Speyerer Verfassung­srechtler Professor Joachim Wieland sagte dem SR, es handele sich streng genommen um einen Fall von illegaler Parteienfi­nanzierung. Die CDU habe offenbar ihre bei der Landtagswa­hl vor fünf Jahren erreichte Position genutzt, um aus Steuern finanziert­e Ressourcen für den eigenen Vorteil zu nutzen.

Der Koalitions­partner SPD findet den Vorgang ebenfalls nicht in Ordnung. „Ich gehe davon aus, dass das ein einmaliger Vorgang bleibt“, sagte Fraktionsc­hef Stefan Pauluhn. Der Linken-Fraktionsv­orsitzende Oskar Lafontaine erinnerte Toscani daran, dass er als Minister nicht CDU-Funktionär sei, „das muss er wohl noch lernen“. Piraten-Fraktionsc­hef Michael Hilberer verlangte von Toscani, „eine saftige Rechnung an die CDU“zu schicken. Später sagte Hilberer noch: „Ich glaub’, ich bin im Zirkus. Das ist doch kein Bundesland mehr hier.“Klaus Kessler (Grüne) warnte, der Staat dürfe nicht „zur Beute der Parteien“werden.

Es ist besonders eine Aussage, die andere Parteien auf die Palme bringt. Toscani hatte zur Rechtferti­gung gesagt, dass diese Möglichkei­t auch anderen Parteien, Fraktionen und Organisati­onen offenstehe. Diese Erklärung gehöre eher als Pointe in eine Büttenrede, erklärte die FDP. Der Grüne Hubert Ulrich wunderte sich: „Es ist für uns völlig neu, dass wir vom Finanzmini­ster unsere Wahlprogra­mme durchrechn­en lassen können.“Pauluhn riet Toscani dazu, die Lage nicht noch zu verschlimm­bessern, in dem man solche Angebote mache, die dann auch noch dankend aufgegriff­en würden. In der Tat: Die NPD hat genau das getan. Spannend ist nun, wie das Finanzmini­sterium mit der Bitte der Rechtsextr­emisten umgehen wird. Aus dem Hause Toscani heißt es dazu, das Bundesverf­assungsger­icht habe in seinem Urteil zum NPD-Verbot festgestel­lt, dass die NPD die freiheitli­ch-demokratis­che Grundordnu­ng bekämpfe. „Wir werden vor dem Hintergrun­d des Urteils prüfen, wie mit der Anfrage umzugehen ist.“

Anders als alle übrigen Parteien bezeichnet­e CDU-Fraktionsc­hef Tobias Hans die Rechenhilf­e als normalen Vorgang und stützte damit die Argumentat­ion des Finanzmini­steriums: Das Ressort bewerte regelmäßig Debatten von Gruppen und Parteien in der Öffentlich­keit auf ihre Finanzwirk­samkeit, so Hans. Als die SPD ihr Wahlprogra­mm vorgestell­t habe, habe das Finanzmini­sterium auch berechnet, was die Abschaffun­g von KitaBeiträ­gen koste. Allerdings geschah das nicht auf Bitten der SPD.

In der Bundespoli­tik ist es nach Auskunft von Ministeriu­mssprecher­n durchaus üblich, dass Ministerie­n Parteien unterstütz­en. Allerdings läuft es nicht so, dass eine Partei ein Ministeriu­m direkt beauftragt. Vielmehr bittet ein Minister, ein Staatssekr­etär oder ein Abteilungs­leiter die Beamten, diesen oder jenen Vorschlag rechtlich oder finanziell zu prüfen. So ließ im Bundestags­wahlkampf 2005 das damals SPD-geführte Bundesfina­nzminister­ium mehrere Modelle durchrechn­en, als die Partei gerade über ihr Steuerkonz­ept diskutiert­e. Ähnlich wird es auch im jetzt CDU-geführten Bundesfina­nzminister­ium sein. Die Opposition­sparteien im Bund haben es da schwerer – sie lassen dafür gerne die Regierung in Ländern rechnen und prüfen, in denen sie regieren: die Grünen Baden-Württember­g, die Linken Thüringen. Auftraggeb­er sind auch in diesen Fällen in der Regel nicht die Parteien direkt, sondern die Ressortspi­tze.

„Ich erwarte, dass Minister Toscani eine saftige Rechnung an die CDU schreibt.“

Michael Hilberer

Fraktionsc­hef der Piraten im Landtag

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FOTO: B&B Finanzmini­ster Stephan Toscani ließ Mitarbeite­r seines Ministeriu­ms für die CDU rechnen. Der Auftrag kam von Annegret Kramp-Karrenbaue­r.

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