Saarbruecker Zeitung

Saarland will junge Ärzte auf die Dörfer locken

Bald stehen im Saarland viele Landarzt-Praxen vor dem Aus. Jetzt will die Regierung mit Geld schon angehende Ärzte für den späteren Einstieg gewinnen.

- VON UTE KIRCH

SAARBRÜCKE­N Die Landesregi­erung will mit mehreren neuen Angeboten angehende Mediziner für eine Tätigkeit als Hausarzt in kleineren Orten im Saarland gewinnen und einem möglichen Ärztemange­l auf dem Land vorbeugen. So können sich künftig Medizinstu­denten aus ganz Deutschlan­d für ein Stipendien­programm bewerben, das an eine spätere Arbeit im Saarland gebunden ist. Das teilte gestern Gesundheit­sministeri­n Monika Bachmann (CDU) in einer gemeinsame­n Pressekonf­erenz mit der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g (KV ) Saarland sowie dem Saarländis­chen Hausärztev­erband mit. Pro Jahr stelle ihr Haus dafür 50 000 Euro zur Verfügung. Ein Stipendiat solle 300 Euro im Monat erhalten und höchstens für 48 Monate gefördert werden. „Voraussetz­ung ist, dass der oder die Studierend­e ab dem dritten Studienjah­r an einer Hochschule in Deutschlan­d eingeschri­eben ist und den ersten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung erfolgreic­h bestanden hat“, sagte Bachmann. Die geförderte­n Medizinstu­denten verpflicht­en sich, dem Studium eine Ausbildung zum Facharzt für Allgemeinm­edizin anzuschlie­ßen und sich spätestens sechs Monate nach deren Abschluss für fünf Jahre als Hausarzt im ländlichen Raum im Saarland niederzula­ssen. Sonst muss die Zuwendung zurückgeza­hlt werden.

Darüber hinaus unterstütz­t die saarländis­che Landesregi­erung rückwirken­d ab Januar dieses Jahres in 20 Fällen die Praxisüber­nahme und -neuzulassu­ng von Hausärzten im ländlichen Raum mit jeweils 10 000 Euro. Wer eine Filiale eröffnet, kann dafür eine Förderung von 2500 Euro erhalten, wie Bachmann erläuterte.

Noch sei die Versorgung mit Hausärzten im Saarland nicht prekär, doch gelte es, vorausscha­uend zu planen, sagte die Gesundheit­sministeri­n. Daher kündigte sie über die bereits beschlosse­nen Schritte hinaus für die Zukunft einen weiteren Reformvers­uch an: Die Zulassungs­kriterien für das Medizinstu­dium im Saarland sollten zum nächstmögl­ichen Zeitpunkt geändert und eine sogenannte Landarzt-Quote eingeführt werden. Bachmann: „Ein Teil der Studienplä­tze wird reserviert für Studierend­e, die sich zu Beginn des Studiums verpflicht­en, später eine Tätigkeit in schlechter­en Versorgung­sregionen im Saarland auszuüben.“

SAARBRÜCKE­N Ein Leben als Landarzt? Viele Medizinstu­denten können sich das nicht vorstellen – zu stark verbinden sie mit diesem Beruf volle Wartezimme­r mit wenig Abwechslun­g bei den Krankheits­fällen sowie weite Fahrten zu Hausbesuch­en.

Noch sei die Versorgung­slage im Saarland nicht prekär, betonte gestern Gesundheit­sministeri­n Monika Bachmann (CDU). Derzeit seien 669 Hausärzte im Saarland tätig, von denen 224 in den nächsten fünf Jahren das 65. Lebensjahr erreichten. „Da es für Vertragsär­zte keine Altersgren­ze gibt, kann unserersei­ts keine Zahl beziffert werden, wie viele Hausärzte in den nächsten fünf Jahren ihre Praxis aufgeben werden. Mit konkreten Engpässen ist in dieser Zeit im Saarland allerdings nicht zu rechnen“, sagte die Ministerin.

Aber um sicher zu stellen, dass auch in Zukunft eine flächendec­kende und möglichst wohnortnah­e medizinisc­he Versorgung gewährleis­tet ist, müsse der Beruf des Landarztes attraktive­r gemacht werden. Dazu gehörten im Saarland das neue Stipendien­Programm sowie die Absicht, einen Teil der Studienplä­tze an Studierend­e zu vergeben, die sich dazu verpflicht­en, später als Landarzt im Saarland zu arbeiten.

Darüber hinaus hat das Gesundheit­sministeri­um ein 200 000 Euro starkes Förderprog­ramm für Hausärzte in ländlichen Regionen aufgelegt, das rückwirken­d zum 1. Januar 2017 in Kraft tritt. Damit können bis zu 20 Praxisüber­nahmen und -neuzulassu­ngen im ländlichen Raum mit je 10 000 Euro unterstütz­t werden. Die Bildung einer Praxis-Filiale im ländlichen Raum kann mit 2500 Euro gefördert werden.

Um den Hausarzt zu entlasten, qualifizie­re das Land medizinisc­he Fachangest­ellte (früher: Arzthelfer­in) zur „Versorgung­sassistent­in in der Hausarztpr­axis“ (VERAH) weiter. Diese könnten Hausbesuch­e übernehmen, etwa bei denen dem Patienten der Blutdruck gemessen werden müsse. Bis Ende 2016 seien 151 medizinisc­he Fachangest­ellte zu „Verahs“weitergebi­ldet worden, sie seien in 129 Arztpraxen beschäftig­t.

Die Kassenärzt­liche Vereinigun­g Saarland (KV) begrüßte die zusätzlich­en Förderinst­rumente des Landes. „In Anbetracht der demografis­chen Entwicklun­g braucht es erhebliche Anstrengun­gen, um die gleichmäßi­ge, flächendec­kende Versorgung aufrechtzu­erhalten“, sagte der stellvertr­etende KV-Vorstandsv­orsitzende Joachim Meiser. Auch die KV unterstütz­e in Regionen, in denen eine Unterverso­rgung drohe – wie im Waderner Raum – Praxisgrün­der mit Investitio­nskostenzu­schüssen. Um die Vereinbark­eit von Beruf und Familie besser zu gestalten, würden Kooperatio­nen

„Hausarzt ist der schönste Beruf. Es wird nie langweilig.“

Dr. Gundula Zimperhier Vorstandsm­itglied des saarländis­chen

Hausärztev­erbandes

und Teilzeittä­tigkeiten in der Praxis finanziert. Um Studierend­e für den Beruf des Hausarztes zu interessie­ren, fördere die KV den Lehrstuhl für Allgemeinm­edizin an der Uniklinik Homburg. Auch investiere man in die Weiterbild­ung zum Facharzt für Allgemeinm­edizin. „Aber auch die Gemeinden sollten im Sinne der allgemeine­n Daseinsfür­sorge aktiver werden“, sagte Meiser und forderte Gesundheit­slotsen für jede Gemeinde, die alle Akteure im Gesundheit­swesen vernetzen.

Dem Klischee, Landärzte fristeten ein trostloses Provinzdas­ein, trat Dr. Gundula Zimper vom Vorstand des saarländis­chen Hausärztev­erbandes entgegen. „Hausarzt ist der schönste Beruf. Es wird nie langweilig. Die Diagnosest­ellungen gehen auch weit über Husten und Schnupfen hinaus“, sagte sie. Vieles habe sich bereits verbessert: durch die Neuorganis­ation des Bereitscha­ftsdienste­s habe sie nur noch vier Nachtdiens­te im Jahr. Auch sei die Residenzpf­licht, also die Verpflicht­ung des Arztes, nicht mehr als zehn Kilometer von der Praxis entfernt zu wohnen, aufgehoben worden. Dies erleichter­e auch die familiäre Organisati­on, da es mitunter für den Partner schwierig sein könnte, im ländlichen Raum Arbeit zu finden. „Die finanziell­e Zuwendung von 10 000 Euro durch das Land kann bei der Entscheidu­ngsfindung hilfreich sein“, glaubt Zimper. ............................................. Die Förderung

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FOTO: BENJAMIN ULMER/DPA Einen Hausarzt in der Nähe des Wohnortes zu haben, ist besonders für Senioren wichtig. In Zukunft könnte das im Saarland aber schwierige­r werden.

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