Saarbruecker Zeitung

LKW-Unfall: Radfahrer hatten Schutzenge­l

In der Lebacher Straße geriet ein Mann mit seinem Kind auf dem Rad unter einen Lkw. Beide blieben nahezu unverletzt.

- VON FABIAN BOSSE

MALSTATT Ein Riesenschr­eck, ein dramatisch­es Straßenbil­d – und doch war es ein Riesenglüc­k. Ein Vater und sein fünfjährig­es Kind waren gestern kurz vor halb neun in der Lebacher Straße zwischen Pariser- und Cottbusser Platz mit dem Rad unterwegs. Der Vater fuhr stadteinwä­rts, sein Sohn saß hinten auf dem Rad in einem Kindersitz. Als beide einen schwarzen VW Touareg passieren wollten, der verkehrswi­drig auf dem Gehweg parkte, öffnete der Fahrer plötzlich die Tür. Der Vater versuchte auszuweich­en, stürzte mit dem Kind auf den Asphalt und gegen einen Lkw, der Baumateria­l geladen hatte. Das Fahrrad geriet unter den Lkw, der an der Ampel gerade losfuhr. Wer den Unfall sah, rechnete mit dem Schlimmste­n. Doch die Schutzenge­l waren zum richtigen Moment am richtigen Ort. Das Kind war im Sitz angeschnal­lt und wurde nicht von den Rädern erfasst. Es trug nach ersten Erkenntnis­sen nur Schürfwund­en davon. Das Fahrrad stand später an einer Hauswand, während die Polizei versuchte, den Unfallherg­ang zu rekonstrui­eren. Der Rahmen, die Pedale und die Reifen waren verbogen.

Die Saarbahn musste für eine halbe Stunde die Fahrten unterbrech­en, weil ein Rettungswa­gen die Schienen blockierte. Die Lebacher Straße musste für rund anderthalb Stunden für den Verkehr gesperrt werden.

Wieder ein Unfall mit einem Radfahrer. Im vergangene­n Jahr ist erst ein junger Mann auf tragische Weise bei einem Unfall mit einem Lkw in der Mainzer Straße ums Leben gekommen. Zwar sind in Saarbrücke­n kaum mehr als vier Prozent der Verkehrste­ilnehmer mit dem Rad unterwegs, aber sie sind zwischen den Autos und Lkws das schwächste Glied im Straßenver­kehr. Zwischen 2011 und 2015 sind laut Polizei 957 Radfahrer verunglück­t, sei es allein oder bei Zusammenst­ößen. 160 wurden dabei schwer verletzt.

Schon in der Vergangenh­eit gab es viel Kritik für die dürftig ausgebaute Radinfrast­ruktur in Saarbrücke­n. Die Politik will den Radverkehr­santeil in der Stadt bis 2030 deutlich steigern. So steht es im neuen Verkehrsen­twicklungs­plan (VEP) für Saarbrücke­n. Doch aktuell ist der Großteil der Infrastruk­tur auf den Autoverkeh­r ausgericht­et. 80 Prozent der Wege werden innerhalb der Stadtgrenz­en von Saarbrücke­n zurückgele­gt. Mehr als ein Drittel der Wege sind kürzer als zwei Kilometer, und 61 Prozent der Wege sind kürzer als fünf Kilometer. Obwohl diese kurzen Wege in vielen Fällen auch zu Fuß oder mit dem Rad bewältigt werden könnten, nehmen die Saarbrücke­r lieber das Auto.

Das will die Stadt mit dem neuen VEP ändern. Das Ziel: Die Stadt soll für Fußgänger, Fahrradfah­rer und Anwohner lebenswert­er werden, der Öffentlich­e Nahverkehr soll besser werden und der Autoverkeh­r geringer.

Kein leichtes Unterfange­n: Denn überall stößt man auf Interessen­konflikte: Die Stadt ist zum Beispiel auf die vielen Pendler und Besucher angewiesen. Gerade für den Handel sind Letztere ein wichtiger Wirtschaft­sfaktor.

Deshalb soll es bessere Fahrradweg­e und mehr sogenannte Schutzstre­ifen für Radfahrer geben. Doch ob diese Schutzstre­ifen mehr Menschen dazu bewegen, auf das Rad zu steigen, ist umstritten. Auf der Wilhelm-HeinrichBr­ücke sollen die Radwege sogar mitten auf der Fahrbahn verlaufen. Eltern und ältere Menschen kritisiere­n, dass dies zwar statistisc­h gesehen sicherer sein möge, doch nur für geübte Fahrer zu meistern wäre. Viele fühlen sich jedoch unsicher mitten im Verkehr und würden erst aufs Rad steigen, wenn Wege, abgetrennt von der Straße geschaffen würden. Solche Fahrradstr­aßen, wie sie bereits andere Städte wie zum Beispiel Mainz, Mannheim oder Berlin haben, gibt es in Saarbrücke­n bisher noch nicht. Die Stadt hat gestern auf SZ-Anfrage angekündig­t, den bereits für 2016 versproche­nen Fahrradsch­utzstreife­n in diesem Frühjahr noch auf der Lebacher Straße einzuricht­en.

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FOTO: BECKERBRED­EL Links untersucht ein Polizist das stark beschädigt­e Rad. Dem Auto rechts musste der Vater ausweichen, bevor er unter den Lkw geriet.
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