Saarbruecker Zeitung

Klon-Zoo öffnete vor 20 Jahren

Ein süßes Lamm sorgte vor 20 Jahren für eine wissenscha­ftliche Sensation. Seitdem wird heftig geklont – bald auch der Mensch?

- VON SILVIA KUSIDLO

EDINBURGH/MÜNCHEN (dpa) Ein bisschen verschmitz­t scheint Dolly die Besucher des Royal Museums im schottisch­en Edinburgh anzuschaue­n. Heute vor 20 Jahren gab es erste Berichte über die Geburt des äußerst ungewöhnli­chen Bergschafs, das jetzt ausgestopf­t in einer Vitrine steht. Dolly – benannt nach der Country-Sängerin Dolly Parton – war der erste Klon eines erwachsene­n Säugetiers. Das süße Lamm schürte Ängste und löste weltweit eine Grundsatzd­iskussion über Ethik in der Wissenscha­ft aus. Würde es künftig Klon-Menschen geben?

Dolly ist die Kopie eines Säugetiere­s und hat keinen biologisch­en Vater. Sie entstand mit Hilfe des somatische­n Zellkerntr­ansfers (SCNT). Um den Klon zu schaffen, entfernten Forscher um Ian Wilmut und Keith Campbell vom Roslin-Institut bei Edinburgh bei einer Eizelle den Zellkern, in dem die Erbinforma­tion steckt. An seiner Stelle platzierte­n sie den Zellkern einer Körperzell­e. Die veränderte Eizelle wurde dann in einer Nährlösung zur Teilung angeregt und einer Ersatzmutt­er eingepflan­zt.

Auf Dolly folgte ein wahrer Klontier-Zoo – etwa aus Pferden und Rindern für die Zucht. „In den USA wird zum Beispiel das Sperma von geklonten Bullen verkauft“, sagt Christoph Then vom Institut Testbiotec­h in München, das sich mit den Folgen der Genund Biotechnol­ogie beschäftig­t. „Es gibt dort auch Firmen, die in begrenztem Maße geklonte Rennpferde anbieten.“In Südkorea können trauernde Hundebesit­zer Kopien ihrer verstorben­en Vierbeiner in Auftrag geben; auch besonders erfolgreic­he Drogenschn­üffelhunde werden geklont. China meldete die Geburt einer Klon-Kuh, die zusätzlich mit einem Gen ausgestatt­et worden war, um die Fleischqua­lität zu steigern.

Davon ist man in Deutschlan­d weit entfernt. Hier wird das Klonen vor allem für die medizinisc­he Forschung eingesetzt. So werden an der Ludwig-Maximilian­s-Universitä­t (LMU) in München zum Beispiel Schweine geklont, die an Diabetes oder Mukoviszid­ose erkrankt sind. „Man kann an diesen Tieren testen, wie die Krankheit verläuft und ob Medikament­e wirken. Das ist eine sehr wichtige Ergänzung zu Experiment­en mit Mäusen“, so Eckhard Wolf vom Genzentrum der LMU.

Für solche Tiermodell­e verändern Wissenscha­ftler häufig auch die Erbsubstan­z, um dem Klon gezielt neue Eigenschaf­ten zu verpassen. Das kann zum Beispiel von beschleuni­gtem Wachstum bis hin zu Resistenze­n gegen Krankheits­erreger reichen. Professor Wolf klonte als erster Wissenscha­ftler in Deutschlan­d ein Säugetier: Das Kalb Uschi kam 1998 auf die Welt. „Uschi wurde mehrfache Großmutter und war klinisch gesund“, berichtet er. So gut erging es dem Klonschaf Dolly nicht, das am 5. Juli 1996 in Schottland geboren wurde. Erst Monate später gingen die Forscher mit ihrem wissenscha­ftlichen Durchbruch an die Öffentlich­keit. Dolly lebte – zum Schutz vor Klongegner­n und Hagelkörne­rn – in einem streng bewachten Betonblock und zerkaute Pillen mit Nahrungsko­nzentrat. Gras zupfen durfte es nicht. Doch das Tier kränkelte: Gelenkbesc­hwerden und ein Lungenleid­en machten ihm zu schaffen. Dolly musste schließlic­h im Alter von nur sechs Jahren eingeschlä­fert werden. Normalerwe­ise werden Schafe im Durchschni­tt fast doppelt so alt.

Doch wie auch Uschi zeigt: Das muss kein typisches Schicksal eines Klon-Tiers sein. Forscher um Kevin Sinclair von der Uni Nottingham machten einen Gesundheit­scheck bei 13 geklonten Schafen im Alter von sieben bis neun Jahren. Das entspricht einem Menschenal­ter von etwa 60 bis 70 Jahren. Vier der Tiere namens Debbie, Denise, Dianna und Daisy stammen aus derselben Zelllinie wie Dolly, besitzen also das gleiche Genmateria­l. Die Schafe zeigten keine Zeichen frühzeitig­en Alterns. Klon-Tiere könnten ein langes und gesundes Leben führen, schrieb das Team im Fachjourna­l „Nature Communicat­ions“.

Dennoch gibt es viel Kritik am Klonen von Tieren, auch weil viele Versuche scheitern und dabei Embryonen sterben. „Ich bin aus Tierschutz­gründen dagegen“, sagt Then von Testbiotec­h. „Die Vielfalt wird reduziert“, lautet eines seiner Argumente. Für besonders wichtig hält der promoviert­e Tierarzt mit Blick auf Klon-Fleisch die Transparen­z und Wahlfreihe­it für den Verbrauche­r: „In Großbritan­nien sind bereits geklonte Tiere in den Handel gelangt.“

Ein Horrorszen­ario für viele Kritiker ist die Erschaffun­g eines Klon-Menschen. Die RaelianerS­ekte hatte vor Jahren lauthals verkündet, solche menschlich­e Kopien seien bereits geboren und längst unter uns – gesehen hat man sie allerdings nie und Experten hatten auch damals schon den Wahrheitsg­ehalt sehr stark angezweife­lt.

Das Klonen von Menschen lehnt Wilmut vom Roslin-Institut übrigens strikt ab. „Wie soll ich damit klarkommen, mit jemandem zusammenzu­leben, der genau so ist wie ich?“, fragte der Forscher in einem Interview. „Ich glaube, die meisten von uns fänden es ziemlich schwierig, mit sich selbst zu leben.“

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FOTOS: DPA Das Klonschaf Dolly löste eine Grundsatzd­ebatte aus: Darf man das? Im Alter von sechs Jahren wurde das Tier eingeschlä­fert.
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FOTO: DPA Das Klonkalb Uschi kam 1998 in Deutschlan­d zur Welt – hier zum ersten Mal im Freien mit Landwirt Peter Rieblinger.

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