Saarbruecker Zeitung

Wo die Grenze von Staat und Partei verläuft

ANALYSE Für ihren Rechenauft­rag ans Finanzmini­sterium zahlt die Saar-CDU jetzt Geld in die Landeskass­e. Die Debatte über solche Fälle ist damit aber nicht beendet.

- VON DANIEL KIRCH

SAARBRÜCKE­N Im Finanzmini­sterium am Saarbrücke­r Stadtgrabe­n wird viel gerechnet. Die Mitarbeite­r ermittelte­n in den vergangene­n Jahren zum Beispiel, was die SPD-Vorschläge zur Abschaffun­g der Kita-Gebühren und zur Reform der Erbschafts­teuer, eine Erhöhung des Spitzenste­uersatzes, die Linken-Forderung nach der Vermögenst­euer, Vorschläge von CDU/CSU-Finanzpoli­tikern zur Absetzbark­eit geringwert­iger Wirtschaft­sgüter oder Forderunge­n von Gewerkscha­ften und Wirtschaft­sverbänden für den Landeshaus­halt bedeuten würden. Finanzmini­ster Stephan Toscani (CDU) erklärte gestern im Haushaltsa­usschuss des Landtags, diese Art der Politikfol­genabschät­zung gehöre nach seiner Überzeugun­g zum verfassung­srechtlich zulässigen Regierungs­handeln.

Das wird niemand bestreiten, auch nicht der jetzt eingeschal­tete Gutachter. Natürlich muss ein Finanzmini­ster wissen, wie sich öffentlich diskutiert­e Ideen finanziell auf das Land auswirken würden. Die CDU blendet aber eines aus: In allen genannten Fällen rechnete das Finanzmini­sterium aus eigenem Antrieb, für interne Zwecke. Bei der Unterstütz­ung der CDU aber half es einer Partei, ihr Wahlprogra­mm zu erstellen, die Behörde wurde dadurch zum Dienstleis­ter. Das sind völlig unterschie­dliche Dinge. Steuergeld ist gewiss nicht dazu da, Dienstleis­tungen für Parteien zu erbringen. Doch statt langsam die Fahne einzuholen, beharrt die CDU darauf, dass alles in Ordnung war. Warum überweist sie dann jetzt, was natürlich zu begrüßen ist, über 5000 Euro an die Landeskass­e?

Toscani sagte gestern, er nehme zur Kenntnis, dass seine Rechtsauff­assung angezweife­lt werde. Deshalb soll nun ein neutraler Gutachter klären, ob „die bisher von uns geübte Praxis der Politikfol­genabschät­zung verfassung­srechtlich zulässig ist“. Bis zum Abschluss dieser Prüfung will das Ministeriu­m Anfragen von Parteien nicht bearbeiten – und entgeht so vorerst auch der Peinlichke­it, über einen Antrag der rechtsextr­emen NPD entscheide­n zu müssen. Die hatte sich gemeldet, nachdem Toscani zu seiner Rechtferti­gung gesagt hatte, die Rechen-Möglichkei­t stehe auch anderen Parteien offen. Es wäre schon damals Zeit für ein glaubwürdi­ges Krisenmana­gement gewesen, aber der Satz machte alles nur noch schimmer.

Der Gutachter soll eine weitere Frage klären: nämlich, ob die beratende Rolle von Ministerie­n in Sondierung­s- und Koalitions­gesprächen zulässig ist. Diese informelle­n Runden, bei denen regelmäßig die Sphären von Partei und Staat verschwimm­en, sind Veranstalt­ungen von Parteien. Sie treffen die Grundsatze­ntscheidun­gen einer jeden Koalition. Um zu wissen, was eine bestimmte Idee das Land kostet, lassen die Parteien bei den Verhandlun­gen Fachleute der Ministerie­n rechnen; die kleinen Apparate der Parteien und Fraktionen sind dazu gar nicht in der Lage. Dies wurde bislang nicht beanstande­t, obgleich hier Regierungs­mitarbeite­r für Parteien tätig sind – allerdings, und dies mag den Unterschie­d ausmachen, außerhalb des Wahlkampfs. Es wäre absurd, wenn für solche Verhandlun­gen künftig Wirtschaft­sprüfer engagiert werden müssten.

Sollte der Gutachter zu dem Ergebnis kommen, dass diese Praxis unzulässig ist, hätten die Parteien nach der Landtagswa­hl ein Problem. Sollte er den Auftrag der CDU zum Durchrechn­en ihres Programms für unzulässig erklären, würde das niemandem wehtun: Die CDU wird einen solchen Auftrag wohl kein zweites Mal erteilen, und vor ihr ist ohnehin nie jemand auf diese Idee gekommen.

Das Finanzmini­sterium

muss rechnen, aber es darf nicht zum Dienstleis­ter einer Partei werden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany