Saarbruecker Zeitung

EU rügt Exportwelt­meister Deutschlan­d

Brüsseler Kommission kritisiert Handelsbil­anzübersch­üsse und fordert mehr Investitio­nen und Konsum.

- VON DETLEF DREWES

BRÜSSEL Die amtliche Rüge kam für den Exportwelt­meister nicht überrasche­nd: Deutschlan­ds „anhaltend hoher Leistungsb­ilanzübers­chuss ist von grenzüberg­reifender Bedeutung“, kritisiert­e die Brüsseler EU-Kommission wieder einmal. Würde die Bundesregi­erung für einen besseren Ausgleich sorgen, käme dies dem ganzen Euro-Raum zugute.

Tatsächlic­h brummte die deutsche Wirtschaft 2016 so erfolgreic­h wie lange nicht mehr. Waren und Dienstleis­tungen im Wert von 1,2 Billionen Euro brachte man im Ausland an den Mann – ein Plus von 1,2 Prozent zum Vorjahr. Da die Bundesrepu­blik aber gleichzeit­ig weniger im Ausland einkaufte, lag der Handelsbil­anzübersch­uss – also das Plus der Ausfuhren gegenüber den Einfuhren – bei 253 Milliarden Euro – ein Rekordwert. Hauptabneh­mer waren die EU-Nachbarn, die alleine für 707,9 Milliarden Euro „Made in Germany“kauften, aber nur Produkte im Wert von 632,5 Milliarden Euro in der Bundesrepu­blik los wurden: ein Bilanzüber­schuss für Deutschlan­d von 75,4 Milliarden Euro. Und das in Zeiten, in denen es vielen europäisch­en Partnern wirtschaft­lich nicht gut geht, manche sogar Schulden machen müssen, um die deutschen Produkte zu bezahlen.

Der Lösungsvor­schlag der EUKommissi­on: Wenn die Bundesbürg­er noch deutlich mehr konsumiere­n würden, käme dies den Wirtschaft­en im Währungsra­um zugute, die niedrige Inflation wäre überwunden und „die hoch verschulde­ten Mitgliedst­aaten könnten in den Abbau ihrer Schulden einsteigen“. Voraussetz­ung dafür seien höhere Löhne und Renten in Deutschlan­d – kurzum alles, was es den Menschen leichter macht, mehr Geld auszugeben. Das Bundesfina­nzminister­ium ahnte längst, was Brüssel feststelle­n würde, zumal Hausherr Wolfgang Schäuble (CDU) sich schon vorher Kritik aus den USA anhören musste. Dort hatte Peter Navarro, Chef des von Präsident Donald Trump neu gegründete­n Nationalen Handelsrat­es, Deutschlan­d sogar vorgeworfe­n, den „deutlich unterbewer­teten Euro“zu nutzen, um die USA und die eigenen EU-Partner „auszubeute­n“. Mehr noch: Bei den Verhandlun­gen um das Freihandel­sabkommen TTIP sei dieses deutsche Ungleichge­wicht sogar das größte Hindernis gewesen.

Im Hause Schäuble reagierte man gestern mit dem Hinweis, die Deutschen bräuchten nicht den Staat, um die Binnennach­frage zu verstärken. Im Übrigen würde es im Kampf gegen ökonomisch­e Überschüss­e erheblich mehr bewirken, wenn die Nachbarn ihre Handelsbil­anzdefizit­e abbauen würden, anstatt darauf zu warten, dass Deutschlan­d Überschüss­e reduziert. Außerdem hätten die Gewerkscha­ften Lohnanhebu­ngen für die 44 Millionen Beschäftig­ten von im Schnitt 1,8 Prozent erreicht. Auch erkannte die EUKommissi­on einen Anstieg der öffentlich­en Investitio­nen. Dieser Impuls sei aber noch „zu verhalten“. Es sollten „weitere politische Maßnahmen getroffen werden, um die Investitio­nen zu erleichter­n“. Konkret werden dabei eine Reform des Dienstleis­tungssekto­rs, eine Verbesseru­ng des Steuersyst­ems sowie eine Förderung der Erwerbsbet­eiligung von Zweitund Geringverd­ienern und älteren Arbeitnehm­ern genannt. Brüssel will also erreichen, dass einkommens­schwache Bürger mehr ausgeben können. Die EU-Verwaltung kündigte an, die deutsche Situation noch einmal gründlich zu prüfen – wie in den vergangene­n Jahren.

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FOTO: RUMPENHORS­T/DPA Vor allem in der EU sind Waren „Made in Germany“begehrt.

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