Saarbruecker Zeitung

Mit einem Mausklick ins Museum

Kunstfreun­de müssen heute nicht mehr weit reisen. Gemälde und Ausstellun­gen gibt es auch als digitale Erlebnisse im Internet.

- VON KATJA SPONHOLZ

SAARBRÜCKE­N Mal eben im Geburtshau­s von Beethoven in Bonn vorbeischa­uen, das Lächeln der Mona Lisa ganz allein für sich haben oder im Frankfurte­r StädelMuse­um einen Einblick in 500 Jahre Reformatio­n erhalten: Wer das erleben möchte, muss nichts organisier­en, keine Ausflüge planen und sich nirgendwo anstellen. Denn immer mehr Museen sind online. Nicht nur mit einer Webseite, auf der Preise und Öffnungsze­iten zu finden sind, sondern als virtuelle Museen, die dem Besucher vom PC im heimischen Wohnzimmer aus einen Rundgang ermögliche­n. Ganz gezielt können Kunstfreun­de Skulpturen und Gemälde anschauen und dazu mit einem Mausklick die passenden Audio-Dateien oder Videos abspielen.

„Die Zahl derer, die meinen, es reicht, wenn man ein Exponat in eine Vitrine stellt, sinkt. Die meisten wissen, dass man mehr machen muss, wenn man ein Museum für alle sein will“, erklärt Stefan Rohde-Enslin, der am Institut für Museumsfor­schung in Berlin für den Bereich Digitalisi­erung und Langzeitar­chivierung zuständig ist. Wobei sich nur ein kleiner Prozentsat­z der rund 6500 Einrichtun­gen in Deutschlan­d seiner Ansicht nach tatsächlic­h schon als digitales Museum im Internet präsentier­t. „Das ist eine ungemein aufwendige und teure Sache, die sich viele kleine und mittlere Museen gar nicht leisten können“, sagt Rohde-Enslin. Einige Häuser beginnen stückweise damit, den eigenen Bestand zu digitalisi­eren, andere veröffentl­ichten ganz bewusst nur einige wenige Objekte auf der Webseite, ohne sie mit einer Datenbank zu verknüpfen.

Dabei biete das virtuelle Museum laut Rohde-Enslin große Chancen: „Man hat dadurch viel mehr Möglichkei­ten, ganz andere Publikums-Kreise zu erreichen“, sagt er. Allerdings könne eine digitale Ausstellun­g immer nur eine abgespeckt­e Version darstellen. Und wie sie letztendli­ch bei den Zuschauern vor dem heimischen PC ankomme, sei völlig offen. „Wenn man in einem Museum das Grauen des 30-jährigen Krieges darstellen will, kann man den Raum abdunkeln und Geräusche einblenden.“Aber wenn es von dieser Ausstellun­g eine OnlineVers­ion gebe, dann wisse man nicht, ob der Nutzer gerade seinen Lautsprech­er eingeschal­tet habe und ob dieser Effekt tatsächlic­h ankomme.

Insgesamt steht für Rohde-Enslin außer Frage, dass Online-Museen mehr Chancen als Risiken bergen. Museen, die in die digitale Welt einsteigen, müssten jedoch die Urheberrec­hte streng beachten. Das sei für viele ein Hemmnis, weil es viel Zeit, Geld und Expertise kostet.

Einige Häuser jedoch – nicht zuletzt die, die auch über die erforderli­chen finanziell­en Mittel verfügten – seien mit ihrem Angebot weit vorangesch­ritten und beispielha­ft. Das Bremer Schifffahr­tsmuseum zum Beispiel oder das Städel-Museum in Frankfurt unter staedelmus­eum.de. Oder auch das LWL-Museum für Kunst und Kultur in Münster, unter lwl.org /LWL/Kultur/museumkuns­tkultur erreichbar, wie Michelle van der Veen ergänzt. Die 28-Jährige hat dort das virtuelle Museumspro­jekt „Museum 24/7“betreut und schreibt bereits seit Jahren unter dem Namen „MuseumsGlü­ck“ ein Blog rund um digitale Projekte in Museen.

Sie weist darauf hin, dass als Paradebeis­piel des virtuellen Museums oft das Rijksmuseu­m in Amsterdam genannt werde, das unter rijksmuseu­m.nl erreichbar ist. Dort sind nach Angaben des Museums 200 000 Werke der Sammlung online zu sehen. Eine virtuelle Sammlung sei nach ihrer Auffassung aber noch kein virtuelles Museum. Dazu gehöre nämlich eine digitale Ausstellun­g, in der sich Nutzer am PC bewegen können. Die Möglichkei­t, gemeinsam Kunst zu erleben, sei dabei viel größer als in einer digitalen Sammlung.

Gute Möglichkei­ten dafür, speziell für Unterricht­szwecke, biete das „LeMO“: das Lebendige Museum Online, ein Projekt der Stiftung Deutsches Historisch­es Museum, der Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepu­blik Deutschlan­d und des Bundesarch­ivs. Es enthält rund 100 Videos, 200 Audios, 900 Biografien, 500 Zeitzeugen­beiträge, 200 Dokumente und viele Jahreschro­niken.

Dass die „richtigen“Museen unter dieser Fülle von Online-Angeboten leiden, glaubt Michelle van der Veen nicht. Sie sei überzeugt, dass die Darstellun­gen im Internet eher Lust auf das Original machen. Eine Meinung, die Stefan Rohde-Enslin teilt. „Die Angst, dass keiner mehr kommt, weil man sich alles vom Sofa anschauen kann, ist unbegründe­t“, sagt er. Untersuchu­ngen in Großbritan­nien hätten gezeigt, dass es genau umgekehrt ist: Wenn die Leute sehen, dass es da etwas Spannendes gibt, dann wollten sie auch das Original sehen.

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