Saarbruecker Zeitung

Eine Profikarri­ere wie aus heiterem Himmel

SERIE SAARLÄNDER IM PROFIFUSSB­ALL, TEIL 4 Der Bexbacher Johannes Wurtz hat sich bei Zweitligis­t VfL Bochum etabliert. Er erzielte in dieser Saison bereits sieben Tore.

- VON TOBIAS FUCHS

SAARBRÜCKE­N Man könnte das Auto weglassen. Doch dann würde in der Geschichte von Johannes Wurtz ein wichtiges Detail fehlen. Wer den Karrierewe­g des FußballPro­fis nachvollzi­ehen will, kommt mit diesem Fahrzeug, einem schwarzen VW Golf GTD, auch ziemlich weit: von Bexbach über Saarbrücke­n bis nach Bremen.

Heute steht Wurtz beim Zweitligis­ten VfL Bochum unter Vertrag. Seine aktuelle Statistik: 20 Spiele, sieben Tore, vier Vorlagen. Das Sportmagaz­in „Kicker“kürte den Saarländer in der Winterpaus­e zum drittbeste­n offensiven Mittelfeld­spieler der 2. Bundesliga. Das alles spricht für Wurtz, aber auch für Bochum. Also verlängert­e der 24-Jährige vor Kurzem bis 2020. „Der Verein ist auf mich zugekommen“, sagt Wurtz: „Ich habe mir das gut überlegt.“

Womit wir wieder beim Golf von Familie Wurtz sind. Wenn Erich Wurtz erzählt, wieso die Wahl auf diesen Wagen fiel, erinnert das sehr an die Karrierepl­anung seines Sohnes Johannes. Alles wohlüberle­gt. Sportlich, aber sparsam sollte das Auto sein – wegen der vielen Fahrten zum Fußball.

Denn: Mit 13 Jahren ging Johannes Wurtz von der DJK Bexbach zur Jugend des 1. FC Saarbrücke­n, und Petra, seine Mutter, fuhr ihn mit dem Fußball-Auto regelmäßig zum Training. Später saß ihr Junge selbst am Steuer. Und als Wurtz im Juli 2012 zu Werder Bremen wechselte, in die Bundesliga, nahm er den altgedient­en Wagen mit.

„Uns hat diese Profi-Karriere wie aus dem heiteren Himmel getroffen“, sagt Erich Wurtz. Dass ihr Sohn „balltalent­iert“war, das hatten die Eltern früh bemerkt. „Er hat Dinge gemacht, die waren exorbitant“, erinnert sich der Vater. In der zweiten Klasse sagte der Grundschul­lehrer: „Wissen Sie, dass Ihr Sohn mal mit Fußball sein Geld verdienen kann?“Dass die Familie den Sport unterstütz­te, keine Frage. Aber mit der Bundesliga als Berufsziel? „Wir haben da nie ernsthaft dran geglaubt“, erklärt Erich Wurtz.

Für Johannes Wurtz bedeutete das: Er konnte frei aufspielen. „Es war angenehm, dass ich von der Familie nie den Druck hatte, Fußball-Profi zu werden.“Eher gab es Bedenken, als sein Berufsweg nach dem Abitur am Homburger Johanneum in den unsicheren Sport führte. „Als Elternteil schluckt man da zunächst“, meint Erich Wurtz: „Auf der anderen Seite: Das Leben geht nicht immer lineare Wege.“

In der Saison 2010/2011 traf Johannes Wurtz für die Saarbrücke­r U19 nicht weniger als 41 Mal. Als der FCS seinem Sohn einen Vertrag anbot, sagte Erich Wurtz im Gespräch mit Dieter Ferner, damals Sportdirek­tor der BlauSchwar­zen: „Herr Ferner, wir probieren das jetzt. Er soll seinen Traum eine Zeit lang leben.“Am 5. August 2011 stand der Nachwuchss­türmer bei einem 2:1 im Drittliga-Heimspiel gegen Carl Zeiss Jena erstmals in der Startelf der FCS-Profis. Er entschied die Partie: Nach einem Foul an Wurtz gab es Elfmeter, das Siegtor schoss er selbst.

Bald hatte Wurtz einen festen Platz – und einen Plan, öffentlich ausgesproc­hen: In den nächsten drei Jahren wollte das Talent sehen, was im Fußball möglich ist. „Wenn ich gemerkt hätte, ich komme nicht so voran, erreiche meine Ziele nicht, dann hätte ich überlegen müssen“, sagt Wurtz heute.

Kaum ein Jahr später saß er an einem Tisch mit Klaus Allofs und Thomas Schaaf, der eine damals Manager, der andere Trainer von Werder Bremen. Er wechselte in den Norden, überzeugte als Torjäger von Bremens U23 in der Regionalli­ga. Am 27. April 2013 gab der Junioren-Nationalsp­ieler sein Debüt in der Bundesliga. Schaaf wechselte ihn auswärts bei Bayer Leverkusen ein, in der 68. Minute. Schnell gab es einen neuen Vertrag, aber auch einen neuen Trainer, Robin Dutt, und Wurtz musste gehen – in die 2. Liga zum SC Paderborn.

An seinem 22. Geburtstag wusste Johannes Wurtz, dass er Bremen endgültig verlassen, aber trotz eines guten Jahres auch nicht in Paderborn bleiben würde. Stattdesse­n unterschri­eb er bei Greuther Fürth. Er hatte sich für den Job als Profi entschiede­n: „Wenn man die Möglichkei­t hat, 2. Liga zu spielen, wenn man gesund ist – dann ist es ein Traumberuf.“

Doch in Fürth warfen ihn Verletzung­en zurück, so richtig passte es auch nach zwei Jahren nicht. Da meldete sich Bochums Sportvorst­and Christian Hochstätte­r bei ihm: „Der kannte mich sogar noch aus meiner Zeit in Saarbrücke­n. Er hat etwas in mir gesehen und gemeint, dass ich in der offensiven Position durchstart­en kann.“Hatten sie ihn in Franken zum Rechtsvert­eidiger umgeschult, so kehrte Wurtz in Bochum unter dem niederländ­ischen Trainer Gertjan Verbeek wieder nach vorne zurück. Über Verbeek sagt Wurtz: „Er hat eine klare Idee vom Fußball.“Dank dieser Idee hat Wurtz sich vom Einwechsel­spieler zum Leistungst­räger entwickelt.

Das haben seine Eltern in Bexbach mitverfolg­t, ohne überrascht zu sein. „Beim Fußball ist alles möglich, daran muss man sich gewöhnen, das haben wir gelernt“, erklärt Erich Wurtz. Es ist nicht lange her, da musste sich die Familie schweren Herzens von ihrem alten Auto trennen. Am Ende standen gut 300 000 Kilometer auf dem Tachometer, ungezählte für den Sport. Der Fußball mag unberechen­bar sein, aber unterm Strich: Die Anschaffun­g hat sich gelohnt.

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FOTO: BECKER/DPA Ein Bild, an das man sich in Bochum mittlerwei­le gewöhnt hat: Johannes Wurtz ballt die Faust und bejubelt eines seiner sieben Saisontore, seine Mannschaft­skollegen beglückwün­schen ihn.
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FOTO: REICHHART Früh übt sich: Johannes Wurtz als DJugendlic­her im Trikot der DJK Bexbach.

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