Saarbruecker Zeitung

Sexualmörd­er schwindelt bei Alter

Bei seiner Einreise nach Deutschlan­d gab Hussein K. an, minderjähr­ig zu sein. Gutachter und Justiz sehen das anders.

- VON JÜRGEN RUF

FREIBURG (dpa) Der mutmaßlich­e Mörder sitzt in Haft und schweigt. Sein Fall fachte die Debatte über die deutsche Flüchtling­spolitik erneut an – noch bevor der Anschlag auf einem Berliner Weihnachts­markt im Dezember weitere Diskussion­en auslöste. Rechtsmedi­ziner und Behörden sind sich nun sicher: Der junge Flüchtling, der nach dem Mord an einer Studentin in Freiburg festgenomm­en wurde und bereits zuvor in Griechenla­nd eine schwere Straftat begangen hat, ist deutlich älter, als er bei seiner Einreise angegeben hat. Die juristisch­en Folgen sind weitreiche­nd. Angeklagt wird Hussein K. nun voraussich­tlich nach Erwachsene­nstrafrech­t.

Dem Mann wird vorgeworfe­n, Mitte Oktober vergangene­n Jahres in Freiburg eine 19 Jahre alte Studentin, die nachts allein auf dem Weg von einer Party nach Hause war, vergewalti­gt und ermordet zu haben. Er war Anfang Dezember festgenomm­en worden und ist seither in Haft. DNA-Spuren von ihm hatte die Polizei am Tatort gefunden, über Videoaufna­hmen in einer Straßenbah­n waren Ermittler ihm auf die Spur gekommen.

Hussein K. war nach Angaben deutscher Behörden im November 2015, in den Wirren der Flüchtling­skrise, ohne Papiere nach Deutschlan­d gekommen. Er stand als unbegleite­ter minderjähr­iger Flüchtling in der Obhut des Jugendamte­s und lebte in Freiburg bei einer Pflegefami­lie. Folgt man seinen Angaben, stammt er aus Afghanista­n und war zur Tatzeit in Freiburg 17 Jahre alt. Nachweise zu Alter und Herkunft hat er nicht vorgelegt, sagen die Behörden. Anfänglich vertraute die Justiz, wie zuvor auch das Jugendamt, diesen Angaben. Doch es kamen Zweifel auf, sagt der Leiter der Freiburger Staatsanwa­ltschaft, Dieter Inhofer. Sie ordnete ein Altersguta­chten an, dessen vorläufige Ergebnisse gestern bekannt wurden: Hussein K. war demnach zur Tatzeit mindestens 22 Jahre alt. Jugendstra­frecht, wie anfangs angenommen, wäre somit ausgeschlo­ssen.

Das hätten Röntgenauf­nahmen ergeben, sagt der Sprecher der Staatsanwa­ltschaft, Michael Mächtel. Sie waren richterlic­h angeordnet worden. Zudem wurden unter anderem Handwurzel­knochen, Gebiss und das Schlüsselb­ein untersucht. Das ist den Angaben zufolge zur Altersbest­immung gängige Praxis. Reden mit Hussein K. konnten die Experten nicht. Auch von den Rechtsmedi­zinern habe sich der Verdächtig­e nicht befragen lassen, heißt es.

Nach der Festnahme war klar geworden, dass Hussein K. 2013 eine Gewalttat an einer jungen Frau auf der griechisch­en Insel Korfu begangen hatte. Er wurde in Griechenla­nd zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt und im Oktober 2015 unter Auflagen vorzeitig entlassen. Er tauchte unter und kam als Flüchtling nach Deutschlan­d. Die deutschen Behörden wussten nichts von der kriminelle­n Vorgeschic­hte, weil Griechenla­nd nur im eigenen Land fahndete und andere Staaten nicht informiert­e.

Die Freiburger Polizei geht davon aus, dass Täter und Opfer sich nicht kannten. Wann Anklage erhoben wird, steht laut Staatsanwa­ltschaft nicht fest. Es liefen noch Ermittlung­en. Bleibt es beim Erwachsene­nstrafrech­t, wird der Prozess vor dem Landgerich­t Freiburg, im Gegensatz zu Jugendstra­frecht, öffentlich sein. Hussein K. droht dann eine lebenslang­e Gefängniss­trafe – und die Abschiebun­g. Wegen Suizid-Gefahr ist er seit Dezember im Gefängnisk­rankenhaus Hohenasper­g bei Ludwigsbur­g untergebra­cht.

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FOTO: DPA Blumen und Grablichte­r stehen an einem Baum in Freiburg, wo ein Flüchtling aus Afghanista­n im Oktober eine Studentin ermordet haben soll.

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