Mit gedimmter Strahlkraft
Melancholie und Lyrik: Die sanft-süßen Alben von Piano Magic, Robin tom Rink und Mark Eitzel
(ohne Wertung) Kraja:
„Isen Sjunger“(Singing Ice) (Westpark/Indigo): Die Weihnachts-Deko ist längst im Keller verstaut, da wird mitten im Januar noch ein Album zum Thema nachgereicht. Das erscheint nicht nur gewagt – selbst wenn der besinnliche Reigen von begnadeter weiblicher Stimmen-Pracht zelebriert wird – sondern ist (kommerziell, nicht künstlerisch!) geradezu zum Scheitern verurteilt. Inmitten einiger wundersamer, durchaus betörender, skandinavischer Winter-Lieder sind eben zu viele jener Melodien zum Thema Weihnacht zu unmittelbar mit adventlicher Vorfreude verbunden, um sie jetzt noch genießen zu können. So reift folgender Wunsch: eine Tour des A Capella-Quartetts durch Kirchen-Räume zum Jahresende. Oh ja: schon die Vorstellung sorgt für Gänsehaut. Zum zwölften Mal in ihrer nunmehr zwanzigjährigen Existenz bringen Piano Magic
ihren „Ghost Rock“unters Volk. Diesen Begriff setzte die Combo bewusst jenen ansonsten gerne verwendeten Charakterisierungen wie „Darkwave“oder „Shoegaze“entgegen. Also bitteschön: „Ghost Rock“. Passt schon – schließlich eröffnet „Closure“(Second Language Music/H’Art
) mit einem sich ganz behutsam entfaltenden, 10minütigen Title-Track, der die Londoner einmal mehr als Brüder im Geiste von The Apartments entlarvt. Kein Wunder also dass deren Sänger Peter Walsh hier mittun darf… Bemerkenswert wiederum, dass im Kontext des dunkel mäandernden Winter-Sounds sogar die Beiträge des umtriebigen Cellisten Audrey Riley (Coldplay, The Smiths, The Go-Betweens, Muse) jeder Pop-Affinität entbehren. Am hellsten mithin strahlen die locker angeschlagenen Piano-Akkorde. Piano Magic eben.
Schlägt man das Booklet von „The Small Hours“(Make My Day Records/Indigo
) auf (und das sollte man unbedingt tun!) leuchten einem Gemälde von Claude Monet, Paul Cezanne, Vincent Van Gogh und William Turner entgegen. Womit sich der hoch gehandelte Kölner Robin tom Rink mühelos als Kunstkenner und Ästhet outet. Auch seine von tiefer Melancholie durchzogene Musik wird höchsten ästhetischen Ansprüchen gerecht. Sie erzählt – dem Album-Titel gerecht werdend – von den frühen Morgenstunden, von Zeiten der Stille, der Besinnung und des Innehaltens, Zeiten des Erwachens, mithin solchen der Hoffnung. Bisweilen erstrahlt sonnengleich die schwelgerische Jazz-Trompete von Peter Protschka am Horizont. Und natürlich ist auch Produzent Ekki Maas (Erdmöbel) kein Mann, der im Elend der Welt versinkt. Seine Beiträge an diversen Gitarren, der Posaune und der Percussion sind schlicht großartig und umgarnen des Sängers feine, unaufgeregte Stimme kongenial. Doch natürlich weiß auch tom Rink selbst wie man Klavier, Orgel, Ukulele, Gitarre und Percussion sparsam und zugleich effektiv, damit also ausgesprochen songdienlich ineinander fügt. Satte 15 Lieder lang hält der Mann im Verbund mit seinen Mitstreitern ein wirklich beeindruckendes Niveau. So entfaltet „The Small Hours“beträchtliche Sogwirkung – und das Selektieren überragender Songs in diesem langen, ruhigen Fluss gestaltet sich schwierig.
Seit Chris De Burgh kann niemand mehr das Wort „Ferryman“singen oder schreiben, ohne sekündlich dessen Schmachtfetzen „Don’t pay the ferryman“ins Gedächtnis zu rufen. Gleichwohl ein Mann wie Mark Eitzel selbstredend musikalisch meilenweit davon entfernt ist – pflegt der ehemalige American Music Club-Vorsteher doch seine ureigene Form der Melancholie. Allein des Songschmiedes Art zu singen geht verlässlich unter die Haut. Versuche, diese mit Scott Walker, Nick Drake oder Jacques Brel zu vergleichen, bleiben indes vergebliche Liebesmüh, bezeugen gleichwohl das Niveau von Eitzels Sangeskunst. Das Aufgeregte und Exaltierte liegt ihm ja bekanntlich nicht. Und so tönt es auch auf den Solo-Alben seit dem Split der Ex-Band gediegen, besonnen, winterlich – erst recht seit einem 2012 erlittenen Herzinfarkt. Insbesondere Produzent und MultiInstrumentalist (Gitarre, Bass, Klavier, Schlagwerk) Bernard Butler spielt dem Künstler auf „Hey Mr. Ferryman“(Decor Records
) wunderbar zu – den sich sanft-süß vortastenden Reigen an strategischen Stellen auch einmal mit Drama aufladend oder aber mit Wucht fokussierend. Geschätzt wird Mark Eitzel nicht zuletzt auch als begnadeter Lyriker. So lohnt also einmal mehr der Blick ins Booklet, wo bereits Songtitel wie „In My Role As Professional Singer And Ham“oder „An Angel’s Wing Brushed The Penny Slots“an des Künstlers poetische Ader unmissverständlich gemahnen...
Es bleibt abzuwarten, wie weit ins Jahr hinein diese drei Alben zur Freude gereichen werden, aktuell lässt sich ihre gedimmte Strahlkraft wunderbar genießen.