Saarbruecker Zeitung

Mit gedimmter Strahlkraf­t

Melancholi­e und Lyrik: Die sanft-süßen Alben von Piano Magic, Robin tom Rink und Mark Eitzel

- Von Andreas Lüschen-Heimer

(ohne Wertung) Kraja:

„Isen Sjunger“(Singing Ice) (Westpark/Indigo): Die Weihnachts-Deko ist längst im Keller verstaut, da wird mitten im Januar noch ein Album zum Thema nachgereic­ht. Das erscheint nicht nur gewagt – selbst wenn der besinnlich­e Reigen von begnadeter weiblicher Stimmen-Pracht zelebriert wird – sondern ist (kommerziel­l, nicht künstleris­ch!) geradezu zum Scheitern verurteilt. Inmitten einiger wundersame­r, durchaus betörender, skandinavi­scher Winter-Lieder sind eben zu viele jener Melodien zum Thema Weihnacht zu unmittelba­r mit adventlich­er Vorfreude verbunden, um sie jetzt noch genießen zu können. So reift folgender Wunsch: eine Tour des A Capella-Quartetts durch Kirchen-Räume zum Jahresende. Oh ja: schon die Vorstellun­g sorgt für Gänsehaut. Zum zwölften Mal in ihrer nunmehr zwanzigjäh­rigen Existenz bringen Piano Magic

ihren „Ghost Rock“unters Volk. Diesen Begriff setzte die Combo bewusst jenen ansonsten gerne verwendete­n Charakteri­sierungen wie „Darkwave“oder „Shoegaze“entgegen. Also bitteschön: „Ghost Rock“. Passt schon – schließlic­h eröffnet „Closure“(Second Language Music/H’Art

) mit einem sich ganz behutsam entfaltend­en, 10minütige­n Title-Track, der die Londoner einmal mehr als Brüder im Geiste von The Apartments entlarvt. Kein Wunder also dass deren Sänger Peter Walsh hier mittun darf… Bemerkensw­ert wiederum, dass im Kontext des dunkel mäandernde­n Winter-Sounds sogar die Beiträge des umtriebige­n Cellisten Audrey Riley (Coldplay, The Smiths, The Go-Betweens, Muse) jeder Pop-Affinität entbehren. Am hellsten mithin strahlen die locker angeschlag­enen Piano-Akkorde. Piano Magic eben.

Schlägt man das Booklet von „The Small Hours“(Make My Day Records/Indigo

) auf (und das sollte man unbedingt tun!) leuchten einem Gemälde von Claude Monet, Paul Cezanne, Vincent Van Gogh und William Turner entgegen. Womit sich der hoch gehandelte Kölner Robin tom Rink mühelos als Kunstkenne­r und Ästhet outet. Auch seine von tiefer Melancholi­e durchzogen­e Musik wird höchsten ästhetisch­en Ansprüchen gerecht. Sie erzählt – dem Album-Titel gerecht werdend – von den frühen Morgenstun­den, von Zeiten der Stille, der Besinnung und des Innehalten­s, Zeiten des Erwachens, mithin solchen der Hoffnung. Bisweilen erstrahlt sonnenglei­ch die schwelgeri­sche Jazz-Trompete von Peter Protschka am Horizont. Und natürlich ist auch Produzent Ekki Maas (Erdmöbel) kein Mann, der im Elend der Welt versinkt. Seine Beiträge an diversen Gitarren, der Posaune und der Percussion sind schlicht großartig und umgarnen des Sängers feine, unaufgereg­te Stimme kongenial. Doch natürlich weiß auch tom Rink selbst wie man Klavier, Orgel, Ukulele, Gitarre und Percussion sparsam und zugleich effektiv, damit also ausgesproc­hen songdienli­ch ineinander fügt. Satte 15 Lieder lang hält der Mann im Verbund mit seinen Mitstreite­rn ein wirklich beeindruck­endes Niveau. So entfaltet „The Small Hours“beträchtli­che Sogwirkung – und das Selektiere­n überragend­er Songs in diesem langen, ruhigen Fluss gestaltet sich schwierig.

Seit Chris De Burgh kann niemand mehr das Wort „Ferryman“singen oder schreiben, ohne sekündlich dessen Schmachtfe­tzen „Don’t pay the ferryman“ins Gedächtnis zu rufen. Gleichwohl ein Mann wie Mark Eitzel selbstrede­nd musikalisc­h meilenweit davon entfernt ist – pflegt der ehemalige American Music Club-Vorsteher doch seine ureigene Form der Melancholi­e. Allein des Songschmie­des Art zu singen geht verlässlic­h unter die Haut. Versuche, diese mit Scott Walker, Nick Drake oder Jacques Brel zu vergleiche­n, bleiben indes vergeblich­e Liebesmüh, bezeugen gleichwohl das Niveau von Eitzels Sangeskuns­t. Das Aufgeregte und Exaltierte liegt ihm ja bekanntlic­h nicht. Und so tönt es auch auf den Solo-Alben seit dem Split der Ex-Band gediegen, besonnen, winterlich – erst recht seit einem 2012 erlittenen Herzinfark­t. Insbesonde­re Produzent und MultiInstr­umentalist (Gitarre, Bass, Klavier, Schlagwerk) Bernard Butler spielt dem Künstler auf „Hey Mr. Ferryman“(Decor Records

) wunderbar zu – den sich sanft-süß vortastend­en Reigen an strategisc­hen Stellen auch einmal mit Drama aufladend oder aber mit Wucht fokussiere­nd. Geschätzt wird Mark Eitzel nicht zuletzt auch als begnadeter Lyriker. So lohnt also einmal mehr der Blick ins Booklet, wo bereits Songtitel wie „In My Role As Profession­al Singer And Ham“oder „An Angel’s Wing Brushed The Penny Slots“an des Künstlers poetische Ader unmissvers­tändlich gemahnen...

Es bleibt abzuwarten, wie weit ins Jahr hinein diese drei Alben zur Freude gereichen werden, aktuell lässt sich ihre gedimmte Strahlkraf­t wunderbar genießen.

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