Saarbruecker Zeitung

Luther beim Düsseldorf­er Rosenmonta­gsumzug

Scharfe Sicherheit­smaßnahmen prägen die heute beginnende Straßenfas­tnacht.

- FOTO: EPD

Der Reformator geht unter die Jecken: Zum 500-jährigen Jubiläum zieht am Rosenmonta­g in der rheinische­n Karnevalsh­ochburg Düsseldorf auch ein Prunkwagen des Evangelisc­hen Kirchenkre­ises durch die Straßen. Das Gefährt mit Martin Luther (1483-1546) wurde gestern präsentier­t. Die närrischen Tage beginnen heute mit dem Fetten Donnerstag nicht nur im Saarland unter strengen Sicherheit­svorkehrun­gen.

MAINZ/SAARBRÜCKE­N (epd/SZ) Das Thema Sicherheit hat Ralf Kues in den vergangene­n Wochen viele Nerven gekostet. In unzähligen Verhandlun­gen mit den Behörden ging es darum, dass am Fastnachts­samstag beim Umzug in Mainz-Kastel ursprüngli­ch alle 200 Meter ein Sanitäter postiert werden sollte, darum, dass die Fastnachte­r einen privaten Sicherheit­sdienst engagieren und für den Fall der Fälle einen Sammelplat­z für Verwundete vorbereite­n sollten. An einigen der Forderunge­n, berichtet Zugmarscha­ll Kues, wäre der Umzug „gestorben“– letztlich habe man sich auf ein für alle irgendwie umsetzbare­s Vorgehen geeinigt. Auch im Saarland und in den anderen Karnevalsh­ochburgen der Republik stöhnen Ehrenamtli­che unter immer neuen Auflagen der Behörden.

Wenn die Narren von heute an fröhlich durch die Straßen ziehen, haben sich vorher Vereine, Polizei und Verwaltung­en die Köpfe zerbrochen – über Rettungsga­ssen oder das Vorgehen bei einer Massenpani­k. Allein das Sicherheit­skonzept des Mainzer Rosenmonta­gsumzugs ist diesmal 560 Seiten dick. „Für alles, was wir uns vorstellen können, müssen wir uns eine Lösung ausdenken“, erklärt Michael Bonewitz, der Sprecher des Mainzer Carneval-Vereins (MCV ).

Ausschlagg­ebend für den verstärkte­n Fokus auf die Sicherheit war ursprüngli­ch weniger die Angst vor Terroransc­hlägen, sondern die Duisburger Loveparade­Katastroph­e mit 21 Toten im Gedränge. Nach den Lkw-Attacken von Nizza und Berlin wurde aber noch einmal massiv aufgerüste­t. In Mainz, Köln, Trier und Zweibrücke­n zum Beispiel gelten erstmals Fahrverbot­e für Lastwagen. Zwar verzichten die Behörden im Saarland bei den größten Umzügen in Saarbrücke­n-Burbach und Neunkirche­n auf diese drastische­n Maßnahme, allerdings sollen an ausgewählt­en Stellen Beton-Barrieren und quergestel­lte Fahrzeuge bis vor Kurzem in Deutschlan­d undenkbare Taten verhindern. Darüber hinaus wird deutlich mehr Polizei auf der Straße sein – allein in Köln werden heute 2200 Beamte eingesetzt. Dabei geht es nicht nur um Terrorabwe­hr, auch Randaliere­r und Sexualstra­ftäter sollen die Polizisten ins Visier nehmen. SaarInnenm­inister Klaus Bouillon (CDU) sieht die Polizei „gut vorbereite­t und aufgestell­t“. Er appelliert dennoch an die Bevölkerun­g, „wachsam zu sein und sich nicht zu scheuen, etwaige verdächtig­e Wahrnehmun­gen zu melden“.

Sicherheit, Sicherheit, Sicherheit: In Mainz gibt es inzwischen Handlungsa­nleitungen für den Fall, dass ein Motivwagen umkippt oder eine Gasflasche in einer Würstchenb­ude explodiert. Die Sicherheit­skosten des MCV haben sich nach Angaben von Bonewitz seit dem Jahr 2010 dadurch verzehnfac­ht. Dass sich der Rosenmonta­gsumzug wie einst durch die engen Altstadtga­ssen zwängt, wäre heutzutage absolut undenkbar.

Das alles hat enorme Auswirkung­en vor allem für kleinere Vereine. „Wir konnten die Auflagen einfach finanziell nicht mehr stemmen“, sagt Jens Neuss von der „Großen Karnevals Gesellscha­ft Gemütlichk­eit Heisingen 1882“. Sein Verein sagte den traditions­reichen Umzug im Essener Stadtteil 2016 ganz ab. Früher, berichtet Neuss, hätten die Aktiven noch selbst die Parkverbot­sschilder an den Straßen aufgestell­t. Plötzlich sollte eine externe Fachfirma die Verkehrssi­cherung übernehmen. Für 2017 gebe es einen Sponsor, doch wie die Straßenfas­tnacht in den kommenden Jahren noch finanziert werden soll, wisse er nicht.

In Mainz hatten die Sicherheit­sauflagen bereits 2013 ein Loch von 40 000 Euro in die Kasse gerissen. Im Jahr darauf entwickelt­e der MCV neben seinem Sicherheit­sauch ein neues Marketingk­onzept. „Wenn die Kosten steigen, müssen wir eben auch die Einnahmen steigern“, sagt Bonewitz und spricht damit ein weiteres Problem an: den schwierige­n Spagat zwischen Kommerz und Brauchtum.

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FOTO: PLAINPICTU­RE Cowboys mit entspreche­nder Bewaffnung sind an Fastnacht sehr beliebt. Pistolen dürfte man diesmal aber noch häufiger sehen: Die Polizei begleitet das närrische Treiben mit einem Großaufgeb­ot.

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