Saarbruecker Zeitung

Streit um Rückkehr der Wehrpflich­t

LEITARTIKE­L

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Der Wehrbeauft­ragte des Bundestage­s, Hans-Peter Bartels, hat Forderunge­n zurückgewi­esen, die allgemeine Wehrpflich­t wiederzube­leben. Das sei sicherheit­spolitisch derzeit nicht notwendig, sagte Bartels.

Die Debatte über größere Verteidigu­ngsanstren­gungen treibt seltsame Blüten. Teile der Union, aber auch der Reserviste­nverband, haben jetzt sogar die Wehrpflich­t wieder entdeckt. Der Vorstoß passt scheinbar bestens zu der von Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen gerade angekündig­ten Personalau­fstockung in der Truppe. Fast 200 000 Bundeswehr­soldaten soll es demnach bis zum Jahr 2024 geben, 30 000 mehr als jetzt. Doch das muss auch ohne Wehrpflich­t gelingen. Alles andere wäre höchst problemati­sch.

Als die Wehrpflich­t vor nunmehr sechs Jahren ausgesetzt wurde, geschah das vor allem wegen der schreiende­n Wehrungere­chtigkeit. Aus Kostengrün­den war die Truppe immer wieder verkleiner­t worden. Um trotzdem optisch aufrechtzu­erhalten, was immer absurder zu werden drohte, kannte die politische Kreativitä­t kaum noch Grenzen. Bei der Musterung genügte praktisch schon eine Zahnspange oder Brille, um der Einberufun­g zu entgehen. Auch Verheirate­te waren irgendwann außen vor. Zudem wurde das maximale Einberufun­gsalter im Grundsatz auf 23 Jahre begrenzt. Durch solche Tricks galt dann nur noch der Bruchteil eines Männer-Jahrgangs als „wehrdienst­tauglich“. Die Masse junger potenziell­er Rekruten sah die Kaserne nur von außen. Auch bei einer 200 000-Mann-Armee wäre es jedoch um die Wehrgerech­tigkeit eher schlecht bestellt. Ganz abgesehen davon, dass man für Musterung und Grundwehrd­ienst erst einmal wieder Strukturen schaffen müsste.

Ein weiterer Umstand, der gegen die Wiederbele­bung der Wehrpflich­t spricht, ist der Mangel an einer schlüssige­n militärpol­itischen Begründung. Die Wehrpflich­t war immer auf die Landesvert­eidigung fokussiert. Das scheinen manche vergessen zu haben. Auch wenn es mit dem Frieden in der Welt wahrlich nicht zum Besten steht, so fehlt doch Gottlob ein potenziell­er Aggressor, der Deutschlan­ds Grenzen bedrohen könnte. Das gilt zweifellos auch für Russland.

Sicher hat Deutschlan­d eine wachsende internatio­nale Verantwort­ung. Dazu bedurfte es keiner Erinnerung aus den USA, wie kürzlich bei der Münchner Sicherheit­skonferenz geschehen. Der Wehretat von der Leyens sah nämlich auch schon vorher deutliche Steigerung­en vor. Die eigentlich­en Herausford­erungen sind der internatio­nale Terrorismu­s und regionale Brandherde, die zu einer starken Flüchtling­swelle geführt haben. Für Bundeswehr­einsätze im Ausland braucht es aber profession­elles Personal und keine Amateure. Und gegen Cyber-Attacken auf zivile oder militärisc­he Einrichtun­gen helfen nur Computer-Spezialist­en. Die Bundeswehr muss hier um die besten Köpfe im Land werben. Und sie muss dabei gegen die Konkurrenz der Wirtschaft bestehen. Hier ist tatsächlic­h mehr Geld notwendig. Für eine attraktive Entlohnung. Für eine gute militärisc­he Ausrüstung. Aber nicht für die Wiedereinf­ührung der Wehrpflich­t.

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