Saarbruecker Zeitung

Gesetz gegen Vernichtun­g von Essen

POLITIK

- VON HAGEN STRAUSS UND JÖRG WINGERTSZA­HN Produktion dieser Seite: Jörg Wingertsza­hn Iris Neu-Michalik

Nordrhein-Westfalen will im Bundesrat ein Gesetz gegen Lebensmitt­el-Verschwend­ung einbringen. Jeder Deutsche wirft jährlich 81 Kilo davon weg.

BERLIN/SAARBRÜCKE­N Andere machen es vor: In Frankreich, Finnland oder Italien gibt es gesetzlich­e Vorschrift­en, um die Lebensmitt­elverschwe­ndung zu reduzieren. In Deutschlan­d ist das nicht der Fall. Das zu ändern, darüber ist nun eine Debatte entbrannt.

Jeder Bundesbürg­er wirft statistisc­h gesehen pro Jahr 82 Kilogramm Essen in den Müll. Lebensmitt­el, die nicht immer, aber oft noch genießbar sind. Seit Jahren kämpfen Politik und Verbrauche­rschützer mit Kampagnen („Zu gut für die Tonne“), mit runden Tischen und Internetpo­rtalen gegen den Wegwerfwah­n. Es gibt darüber hinaus viele Initiative­n, um Lebensmitt­elverluste zu vermeiden; zudem kooperiere­n Supermarkt­ketten eng mit den „Tafeln“für Bedürftige. Doch bislang scheint der durchschla­gende Erfolg ausgeblieb­en zu sein.

Dem Bundesrat liegt nun ein Antrag des Landes NordrheinW­estfalen vor, in dem die Bundesregi­erung aufgeforde­rt wird, „eine gesetzlich­e Initiative zur Verringeru­ng der Lebensmitt­elverluste in Deutschlan­d zu erarbeiten“. Trotz aller Bemühungen würden pro Jahr mindestens elf Millionen Tonnen an Obst, Gemüse und Fleisch weggeworfe­n. Die Lebensmitt­elverluste in der Landwirtsc­haft kämen mit zwei Millionen Tonnen noch hinzu. Dagegen gebe es kein „einheitlic­hes und zielgerich­tetes bundesweit­es Vorgehen“, beklagt NRW in dem unserer Redaktion vorliegend­en Papier. Der Vorstoß soll schon am 10. März auf die Tagesordnu­ng des Bundesrate­s gesetzt werden.

Unterstütz­ung dafür dürfte aus dem Saarland kommen. „Vor der Wegwerfkul­tur dürfen wir nicht die Augen verschließ­en. Deshalb freue ich mich über alle Aktionen, die sich hier für eine Bewusstsei­nsänderung stark machen. Lebensmitt­el werden heute zu wenig wertgeschä­tzt“, sagte der saarländis­che Verbrauche­rschutzmin­ister Reinhold Jost (SPD). Das rotgrün regierte NRW verweist auf Vorbilder unter den europäisch­en Nachbarn. So seien in Frankreich Supermärkt­e ab einer Größe von 400 Quadratmet­ern verpflicht­et, unverkauft­e Nahrungsmi­ttel zu spenden. Ein ähnliches Gesetz gelte in Finnland, aber nicht nur für Supermärkt­e, sondern auch für für Restaurant­s, Krankenhäu­ser und Cafés. Könnte das alles also Vorbild für Deutschlan­d sein? SPD und Grüne im Bundestag unterstütz­en den Vorstoß ihrer Parteifreu­nde in Düsseldorf. „Nur so wird es gelingen, Lebensmitt­elverluste entlang der gesamten Wertschöpf­ungskette zu reduzieren“, glaubt die Verbrauche­rexpertin der Grünen, Nicole Maisch. SPD-Fachfrau Elvira DrobinskiW­eiß betont, die französisc­he Regelung sei diesbezügl­ich „ein Schritt in die richtige Richtung. Denn damit wird der Handel in die Pflicht genommen und ein Anreiz zur Vermeidung geschaffen“. Auf wenig Gegenliebe stößt der Plan indes bei der Union: Die Forderung nach einem „Wegwerfges­etz“sei Augenwisch­erei und habe etwas von einer „Kühlschran­kund Mülleimerp­olizei“, spottet die stellvertr­etende Fraktionsv­orsitzende Gitta Connemann (CDU). „Ernährung gehört endlich in alle Lehrpläne.“

Der, auf den es ankommt, sieht das genauso: Bundesmini­ster Christian Schmidt (CSU). „Der Großteil unserer Abfälle entsteht in den Privathaus­halten, da können wir mit einem Gesetz nichts erreichen“, so Schmidt zu unserer Redaktion. Er meint die praktische Umsetzung – von der Überwachun­g bis zur Sanktionie­rung. Laut Studien sind nämlich die über 40 Millionen deutschen Privathaus­halte für 61 Prozent der Abfallmeng­e verantwort­lich. Sein Ministeriu­m, so Schmidt, setze lieber auf „eine nationale Strategie gegen Lebensmitt­elverschwe­ndung, die alle bereits bestehende­n Aktivitäte­n verzahnt“.

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FOTO: BÜTTNER/DPA Gemüse, das in den Supermärkt­en nicht verkauft wurde, wird inzwischen oft an soziale Tafeln geliefert.

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