Saarbrücker Steuern ersetzen Renten
Im Regionalverband ballt sich die Armut des Saarlandes. Damit Saarbrücken helfen kann, die Not zu lindern, steigt die Grundsteuer.
SAARBRÜCKEN. Fast alle, die in Saarbrücken wohnen, müssen dafür künftig jedes Jahr ein kleines bisschen mehr bezahlen – denn die Grundsteuer steigt jetzt jedes Jahr automatisch – zumindest bis 2022. Das hat der Stadtrat im Dezember beschlossen. Vorgeschlagen hatte es Bürgermeister Ralf Latz, SPD. Dafür stimmten SPD, Linke und Grüne. Dagegen waren CDU, FDP, Freie Wähler und AfD.
Was bringt’s der Stadt? Für 2016 haben die Saarbrücker rund 35,1 Millionen Euro Grundsteuer bezahlt. Ab 2017 werden es jedes Jahr etwa 750 000 Euro mehr. Bis es 2022 rund 39,6 Millionen sind – also 4,5 Millionen mehr als 2016.
Was bedeutet das für die Saarbrücker? Die Stadt kassiert die Grundsteuer von den Immobilien-Eigentümern. Und wenn die Immobilie vermietet ist, dürfen die Eigentümer sich das Geld von ihren Mietern zurückholen. Die Eigentümer haben ihre Bescheide im Januar erhalten. Die Mieter erfahren normalerweise aus den Nebenkostenabrechnungen, wie viel sie künftig mehr bezahlen müssen. Weil das Finanzamt die Berechnungsgrundlage für jedes Haus einzeln festlegt, können extreme Unterschiede entstehen.
Beispiele: Eine 80-Quadratmeter-Wohnung in einem großen Gebäude auf dem Eschberg kostete bisher rund 176 Euro pro Jahr, bis 2022 steigt das schrittweise auf rund 200 Euro. 78 Quadratmeter Am Heidenkopferdell kosteten bisher 324 Euro, 2022 werden es rund 367 Euro sein. 85 Quadratmeter in Malstatt: bisher rund 155 Euro, 2022 rund 175 Euro. 90 Quadratmeter in Alt-Saarbrücken: bisher 296 Euro, 2022 rund 335 Euro. 52 Quadratmeter auf dem Wackenberg: bisher 50 Euro, 2022 rund 57 Euro. 60 Quadratmeter auf der Folsterhöhe: bisher rund 150 Euro, 2022 rund 170 Euro.
2016 hatte Saarbrücken seine Gewerbesteuer erhöht. Damals hatte Ralf Latz erklärt, das sei unumgänglich, weil die Stadt zusätzliche Einnahmen brauche. Sonst würde das Innenministerium den Stadthaushalt nicht genehmigen. Das Ministerium habe der Stadt freigestellt, welche Steuer sie dazu erhöhen wolle. Und daraufhin hätten sowohl die Stadt als auch die rot-rot-grüne Ratsmehrheit sich für die Gewerbesteuer entschieden, um die Mieter zu schonen. Ergebnis: Die Saarbrücker Gewerbesteuerzahler überweisen seit 2016 jedes Jahr rund 10 Millionen Euro mehr als 2015. Damals versicherte Latz: „Um denselben Effekt über die Grundsteuer zu erzielen, hätten wir die um 26 Prozent erhöhen müssen.“
Überraschend ließ sich Latz nun im Dezember 2016 von der rot-rot-grünen Stadtratsmehrheit den Vorratsbeschluss zur jährlichen Grundsteuererhöhung bis einschließlich 2022 geben.
In derselben Ratssitzung erklärte der Chef der SPD-Fraktion, Peter Bauer, die Stadt brauche „erhebliche Mittel für Zukunftsinvestitionen“. Latz beteuert, die Grundsteuererhöhung habe nichts mit diesen Investitionen zu tun – die Stadt hätte ihre Investitionen auch ohne Steuererhöhung bezahlen können.
Schuld an der Steuererhöhung sei vielmehr die rasant wachsende Regionalverbandsumlage – so heißt der Zuschuss, den Saarbrücken jedes Jahr an den Regionalverband (RV) überweisen muss.
Dieser Zuschuss steigt 2017 um weitere rund 12 Millionen Euro. Und die Grundsteuererhöhung soll helfen, das zu bezahlen.
Die Grundsteuer ist die viertgrößte Einnahmequelle der Stadt, 2017 wird sie rund ein Zwölftel der Einnahmen bringen. Größter Ausgabeposten der Stadt ist die Regionalverbandsumlage, 2017 wird sie rund ein Drittel der Ausgaben schlucken – 152 Millionen.
Die Stadt ist der größte Geldgeber des RV. Der wiederum gibt etwa 80 Prozent seines Geldes für Soziales und Jugendhilfe aus. Im RV gibt’s doppelt so viele arme Rentner wie im Bundesschnitt. Sobald diese Rentner ambulante oder stationäre Pflege brauchen, muss das der RV bezahlen – das heißt „Hilfe zur Pflege“. Und die kostet den RV derzeit jährlich rund 33,5 Millionen Euro. Tendenz rasant steigend. 5,3 Millionen Euro bezahlt der RV jährlich für „Hilfen zum Lebensunterhalt“, 3 Millionen für Grundsicherung. Das Geld dafür holt sich der RV von seinen Kommunen, also vor allem von Saarbrücken, das dafür jetzt die Grundsteuer erhöht hat.